Rz. 133

Unwirksam wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 ist ein Ehevertrag, und damit auch ein Vertrag über den Versorgungsausgleich, wenn er zu einer evident einseitigen Lastenverteilung der Eheleute führt und ein Ehegatte bei dessen Abschluss in einer erheblich schwächeren Verhandlungsposition war.[74] Maßgebend für die Beurteilung ist also eine Gesamtschau aller Umstände im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung.[75] Es kommt auf die Gründe und die Umstände ihres Zustandekommens und auf die beabsichtigte und verwirklichte Gestaltung des ehelichen Lebens an.

 

Rz. 134

Dabei hat das FamG in Betracht zu ziehen, inwieweit die vertraglichen Abreden unmittelbar in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreifen.[76] Die Prüfung des Vertrags muss umso intensiver ausfallen, je unmittelbarer die vertragliche Regelung in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreift. Zu diesem gehören in erster Linie der Betreuungsunterhalt, dann der Krankheitsunterhalt und schließlich der Altersunterhalt, mit dem der Versorgungsausgleich den Rang teilt. Nachrangig nach diesem sind nur noch der Aufstockungsunterhalt und der güterrechtliche Ausgleich. Vereinbarungen über den Versorgungsausgleich unterliegen damit einer deutlich großzügigeren Beurteilung als solche über den Betreuungsunterhalt. Es geht um die Verteilung des in der Vergangenheit gemeinsam Erwirtschafteten, nicht direkt um die Sicherstellung des unmittelbaren Lebensbedarfs, wie das beim Unterhalt der Fall ist.

 

Rz. 135

Zu prüfen ist, ob die Vereinbarung über den Versorgungsausgleich offenkundig zu einer so einseitigen Lastenverteilung führt, dass ihr die Anerkennung zu versagen ist.[77] Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil die privatautonome Gestaltung der Ehegatten grds. zu respektieren ist. Relevant sind nur eindeutige Verstöße gegen die guten Sitten, nicht aber schon solche Einschränkungen der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Ehegatten, die für diesen nur schwer zu tragen sind.[78]

 

Rz. 136

Erforderlich ist also als erste Stufe immer die Frage, welcher Ehegatte durch die Vereinbarung gegenüber der Lage, die ohne sie bestünde, Nachteile erlitten hat. Das Gericht muss also zunächst wenigstens überschlägig prüfen, wie ein Versorgungsausgleich ausgesehen hätte, wenn die Eheleute keine Vereinbarung darüber getroffen hätten. Das bedingt, dass das Gericht ermittelt, welche Anrechte überhaupt bestehen und wie sie hätten ausgeglichen werden müssen. Damit ist die Nachteilsprüfung aber nicht abgeschlossen. Für die gewichtete Inhaltskontrolle ist aber außerdem erforderlich zu bestimmen, welches Ergebnis der Gesamtausgleich (im Saldo) hat, denn die Beurteilung, ob eine einseitige Lastenverteilung vorliegt, muss notwendigerweise vom Gesamtbild des Ausgleichs ausgehen. Sind Gegenstand der Vereinbarung auch andere Ausgleichsmechanismen (Unterhalt, Güterrecht), müssen auch diese in das Gesamtbild einbezogen werden, denn sonst kann es zu Verzerrungen kommen, wenn etwa die Nachteile der Vereinbarung im Versorgungsausgleich durch Vorteile der Vereinbarung in Bezug auf das Güterrecht kompensiert werden.

 

Rz. 137

Maßgebend ist immer eine umfassende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls, auch in Bezug auf die Regelung der sonstigen Scheidungsfolgen.[79] Zu prüfen sind einerseits die Gründe und Umstände des Zustandekommens der Vereinbarung, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Eheleute, die Art und Weise ihres Vermögenserwerbs, der geplante bzw. verwirklichte Zuschnitt der Ehe, das Alter der Ehegatten und die materiellen Auswirkungen der Vereinbarung. Zu beachten ist jedoch, dass nicht jede einem Ehegatten nachteilige Regelung vorschnell als sittenwidrige Benachteiligung angesehen werden darf. Es ist immer auch zu ermitteln, ob durch die Vereinbarung eintretende Nachteile durch andere Vorteile oder die besonderen Lebensumstände der Ehegatten, ihre gelebte Beziehung oder sonstige Belange wieder kompensiert werden.[80]

 

Rz. 138

Als für die Unwirksamkeit einer Vereinbarung über den Versorgungsausgleich ausreichende Umstände hat die Rechtsprechung etwa angesehen:[81]

Den kompensationslosen Ausschluss des Versorgungsausgleichs, wenn die Eheleute wegen der Schwangerschaft der Ehefrau von dem alsbaldigen Ausscheiden der Ehefrau aus dem Erwerbsleben und ihrer Unfähigkeit ausgingen, andere als aus den Kindererziehungszeiten erwachsende Anrechte zu erwerben.[82] Wird bei einer schwangeren Frau der Versorgungsausgleich ausgeschlossen, sollte deswegen besonderes Gewicht auf die Darlegung der dafür sprechenden Gründe gelegt werden.[83]
Den kompensationslosen Ausschluss des Versorgungsausgleichs bei einer schwangeren ungelernten Ehefrau.[84]
 

Rz. 139

Als nicht ausreichend, um eine Unwirksamkeit zu begründen, wurden dagegen angesehen:

eine im Zeitpunkt des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs bestehende Schwangerschaft, ohne dass sich aus dieser konkrete Schlussfolgerungen auf die künftige Erwerbsbiografie der auf den Versorgungsausgleich verzichtenden künftigen Mutter...

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