Rz. 175

Grundsätzlich kann der Pflichtteil nur unter den Voraussetzungen der §§ 2333 ff. BGB wirksam entzogen werden. In Ehegattentestamenten kann aber die Klausel aufgenommen werden, dass diejenigen, die zu Schlusserben eingesetzt worden sind, im zweiten Todesfall auch nur ihren Pflichtteil erhalten, wenn sie bereits im ersten Erbfall ihren Pflichtteil geltend machen. Die Ehegatten verfolgen mit dieser Klausel das Ziel, den Nachlass im Falle des Todes des Erststerbenden ungeschmälert dem Längstlebenden zukommen zu lassen. Ein mutwilliges Verhalten oder das Bewusstsein, den Erblasserwillen absichtlich zu missachten, müssen nicht vorliegen.[150] Der Berater sollte den Mandanten allerdings darauf hinweisen, dass die Pflichtteilsklausel in der Praxis häufig ein "stumpfes Schwert" darstellt, und der Pflichtteilsberechtigte sich i.d.R. hierdurch nicht von der Geltendmachung seines Pflichtteilsanspruchs abhalten lassen wird.

 

Rz. 176

Eine noch massivere Sanktion stellt die sog. Jastrow’sche Klausel dar. Hierbei erhalten diejenigen Abkömmlinge, die den Pflichtteil nicht geltend machen, einen zusätzlichen Vermächtnisanspruch nach dem Tod des Erstversterbenden. Der Vermächtnisanspruch wird allerdings erst mit dem Tod des Zweitversterbenden fällig, da der überlebende Ehegatte möglichst keinen Vermögensabfluss erleiden soll. Diese Gestaltung erreicht, dass die Berechnungsbasis für den Pflichtteil im zweiten Erbfall erheblich geschmälert wird.[151] Die Klausel wirkt indes nur bei Vorhandensein mehrerer pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge. Aber auch diese Klausel bietet keinen letztendlichen Schutz vor der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen.

Muster 7.11: Pflichtteilsstrafklausel (Jastrow’sche Klausel)

 

Muster 7.11: Pflichtteilsstrafklausel (Jastrow’sche Klausel)

Macht eines unserer Kinder nach dem ersten Todesfall entgegen dem Willen des Überlebenden seinen Pflichtteil oder Pflichtteilsergänzungsanspruch geltend und erhält er ihn auch ganz oder teilweise, dann ist er mit seinem ganzen Stamm sowohl für den ersten als auch für den zweiten Sterbefall von der Erbfolge einschließlich eventuell angeordneter Vermächtnisse und Auflagen ausgeschlossen.

Diejenigen Kinder, die ihren Pflichtteil nicht geltend machen, erhalten aus dem Nachlass des Erststerbenden ein Geldvermächtnis in Höhe ihres gesetzlichen Erbteils. Das Vermächtnis wird mit dem Tod des Überlebenden fällig und steht nur den zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Bedachten zu. Diesem Ausgangsbetrag sind für den Zeitraum zwischen dem ersten und dem zweiten Todesfall Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkte über dem jeweiligen Basiszinssatz hinzuzurechnen.

[150] BayObLG FamRZ 1990, 1158; 1996, 440.
[151] Scherer/Schlitt, MAH Erbrecht, § 13 Rn 284.

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