1. Überblick

 

Rz. 128

Gewaltschutzsachen, also Verfahren nach dem GewSchG (§§ 210 ff. FamFG), können gerichtet sein auf

gerichtliche Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellungen (§ 1 GewSchG),
Überlassung einer gemeinsam genutzten Wohnung (§ 2 GewSchG) oder
beides.

Die Gebühren richten sich nach den Nrn. 3100 ff. VV. Möglich ist auch eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV).

2. Gegenstandswert

 

Rz. 129

Der Gegenstandswert richtet sich nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 49 FamGKG.

 

Rz. 130

In einem Verfahren über Maßnahmen nach § 1 GewSchG beträgt der Wert 2.000,00 EUR (§ 49 Abs. 1, 1. Hs. FamGKG).

 

Beispiel 55: Gewaltschutzverfahren, Antrag nach § 1 GewSchG

Der Anwalt beantragt für die Ehefrau, gegen den Ehemann ein Kontaktverbot zu verhängen.

Der Verfahrenswert beläuft sich gem. § 49 Abs. 1, 1. Hs. FamGKG auf 2.000,00 EUR.

 

Rz. 131

In einem Verfahren über Maßnahmen nach § 2 GewSchG gilt dagegen ein Wert in Höhe von 3.000,00 EUR (§ 49 Abs. 1, 2. Hs. FamGKG).

 

Beispiel 56: Gewaltschutzverfahren, Antrag nach § 2 GewSchG

Der Anwalt beantragt für die Ehefrau, den Ehemann zu verpflichten, der Ehefrau die gemeinsame Wohnung zur alleinigen Nutzung zu überlassen.

Der Verfahrenswert für den Antrag auf Überlassung der Wohnung beträgt 3.000,00 EUR (§ 49 Abs. 1, 2. Hs. FamGKG).

 

Rz. 132

Soweit Gegenstand des Verfahrens sowohl Ansprüche nach § 1 GewSchG als auch nach § 2 GewSchG sind, werden die Werte nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG zusammengerechnet.[41]

 

Beispiel 57: Gewaltschutzverfahren, Gegenstandswert bei mehreren Anträgen

Der Anwalt beantragt für die Ehefrau, gegen den Ehemann sowohl ein Kontaktverbot zu verhängen als auch ein Verbot, die eheliche Wohnung zu betreten. Darüber hinaus beantragt er an die Ehefrau die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung.

Der Verfahrenswert für den Antrag auf Kontaktverbot und Betretungsverbot beläuft sich gem. § 49 Abs. 1, 1. Hs. FamGKG auf 2.000,00 EUR; der Wert für die Überlassung der gemeinsam genutzten Wohnung auf 3.000,00 EUR (§ 49 Abs. 1, 2. Hs. FamGKG). Beide Werte sind nach § 33 Abs. 1 S. 1 FamGKG zusammenzurechnen, so dass sich ein Gesamtwert in Höhe von 5.000,00 EUR ergibt.

 

Rz. 133

Dagegen findet keine Addition statt, wenn in einem Verfahren mehrere Gewaltschutzanordnungen auf derselben Grundlage (§ 1 GewSchG) ergehen.[42]

 

Beispiel 58: Gewaltschutzverfahren, mehrere Anordnungen nach § 1 GewSchG

Der Anwalt beantragt für die Ehefrau, gegen den Ehemann sowohl ein Kontakt- als auch ein Näherungsverbot zu verhängen und ihm zu untersagen, sich an bestimmten Orten (Arbeitsplatz, Kindergarten etc.) aufzuhalten.

Der Verfahrenswert beläuft sich gem. § 49 Abs. 1, 1. Hs. FamGKG auf 2.000,00 EUR. Eine Wertaddition oder eine Erhöhung wegen mehrerer beantragter Maßnahmen i.S.v. § 1 GewSchG kommt nicht in Betracht.

 

Rz. 134

Macht der Anwalt für mehrere Antragsteller Ansprüche nach § 1 oder § 2 GewSchG geltend, so liegen verschiedene Gegenstände vor. Es ist dann ein Fall der subjektiven Antragshäufung gegeben, da die mehreren Antragsteller ihren Anspruch nicht als Gesamtgläubiger geltend machen. Folglich sind die Werte der einzelnen Ansprüche zu addieren.[43]

 

Beispiel 59: Gewaltschutzverfahren, mehrere Antragsteller

Der Anwalt beantragt für die Ehefrau und die beiden volljährigen Kinder, gegen den Ehemann jeweils ein Kontakt- und Näherungsverbot zu verhängen.

Ausgehend von dem Regelwert beträgt der Verfahrenswert (3 x 2.000,00 EUR =) 6.000,00 EUR.[44]

 

Rz. 135

Nach § 49 Abs. 2 FamGKG besteht die Möglichkeit, Unbilligkeiten durch eine Herauf- oder Herabsetzung der Regelwerte zu begegnen.

 

Rz. 136

Die Werte des § 49 Abs. 1 FamGKG gelten nicht nur für die erstmalige Anordnung einer Maßnahme, sondern auch für Verfahren auf Verlängerung einer Maßnahme nach § 1 Abs. 1 S. 2, 2. Hs., § 2 Abs. 2 S. 3 GewSchG (siehe Rdn 144).

[41] OLG Frankfurt AGS 2014, 522 = NZFam 2015, 84 = NJW-Spezial 2014, 733 = FF 2015, 130.
[42] AG Bergen (Rügen) AGS 2014, 418 = NZFam 2014, 751 = NJW-Spezial 2014, 541; OLG Frankfurt AGS 2014, 522 = NZFam 2015, 84 = NJW-Spezial 2014, 733 = FF 2015, 130; OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.4.2012 – 3 WF 17/12.
[43] OLG Frankfurt AGS 2016, 189 = NZFam 2016, 277 = NJW-Spezial 2016, 221 = RVGreport 2017, 27; im Ergebnis so auch OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.4.2012 – 3 WF 17/12.
[44] OLG Frankfurt AGS 2016, 189 = NZFam 2016, 277 m. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2016, 221 = RVGreport 2017, 27.

3. Die Gebühren

 

Rz. 137

Der Anwalt erhält eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die sich unter den Voraussetzungen der Nr. 3101 Nr. 1 u. 2 VV auf 0,8 ermäßigt. Eine Ermäßigung nach Nr. 3101 Nr. 3 VV ist nicht möglich.

 

Beispiel 60: Gewaltschutzverfahren ohne gerichtlichen Termin

Der Anwalt beantragt für die Ehefrau, gegen den Ehemann ein Kontakt- und Näherungsverbot zu verhängen. Das Gericht erlässt eine Entscheidung ohne mündliche Erörterung.

Der Anwalt erhält eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV aus dem Wert von 2.000,00 EUR (§ 49 Abs. 1, 1. Hs. FamGKG). Eine Terminsgebühr entsteht nicht (siehe Rdn 141).

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV   195,00 EUR
  (...

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