Rz. 257

Unrichtige Erbscheine "hat" das Nachlassgericht von Amts wegen einzuziehen. Das Gericht ist dabei nach § 26 FamFG verpflichtet, Ermittlungen über die Richtigkeit eines Erbscheins anzustrengen, soweit Anhaltspunkte für einen Einziehungsgrund gegeben sind.

1. Voraussetzungen der Einziehung

a) Zuständigkeit

 

Rz. 258

Zuständig für die Einziehung eines Erbscheins ist das Nachlassgericht, das den Erbschein erteilt hat.[155] Dies gilt sowohl für die örtliche, die internationale als auch die funktionelle Zuständigkeit. Insoweit ist der Richter, der einen Erbschein erteilt hat, auch für das Einziehungsverfahren zur Entscheidung berufen, § 16 Abs. 1 Nr. 7 RPflG. Hat ein örtlich unzuständiges Gericht einen Erbschein erteilt, so ist es für das Einziehungsverfahren gleichwohl zuständig. Würde die Einziehung beim tatsächlich zuständigen Gericht "beantragt" (angeregt) werden, so wäre dieses verpflichtet, den Vorgang an das Gericht, das den Erbschein erteilt hat, weiterzuleiten.[156] Eine diesbezügliche Verweisung gem. § 3 FamFG ist ggf. anzuregen (vgl. Muster Rdn 263).

[155] BayObLGZ 1977, 59; BayObLGZ 1981, 147.
[156] Vgl. Kroiß, Zuständigkeitsprobleme in der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, S. 123.

b) Muster: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht

 

Rz. 259

Muster 7.54: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht

 

Muster 7.54: Antrag auf Verweisung an das zuständige Amtsgericht

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

_________________________

Nachlasssache _________________________

Az. _________________________

Einziehung des Erbscheins

Nachdem der Erbschein vom örtlich unzuständigen Amtsgericht _________________________ erteilt worden ist, rege ich an, das Einziehungsverfahren gem. § 3 FamFG an das gem. § 2361 BGB zuständige Nachlassgericht _________________________ zu verweisen.

(Rechtsanwalt)

c) Voraussetzungen im Einzelnen

 

Rz. 260

Vorliegen eines erteilten Erbscheins
Erbschein muss bereits ausgehändigt sein
Unrichtigkeit des Erbscheins

aa) Formelle Fehlerhaftigkeit

 

Rz. 261

Bei schweren Verfahrensfehlern, insbesondere beim Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen, ist auch ein materiell richtiger Erbschein einzuziehen (h.M., die über den Wortlaut des § 2361 BGB hinausgeht; vgl. Muster Rdn 263).[157]

Beispiele aus der Rechtsprechung:

Erteilung abweichend vom Antrag oder ohne Antrag;[158]
Antragstellung durch einen nicht antragsberechtigten Beteiligten (jedoch kann dieser Verstoß geheilt werden, wenn der Antragsberechtigte die Erteilung des Erbscheins nachträglich ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt);[159]

Zuständigkeitsverstöße:[160]

Bei Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit sind auch sachlich richtige Erbscheine einzuziehen.[161] Sonst bestünde die Gefahr widersprechender Erbscheine, da auch beim örtlich zuständigen Gericht ein Erbschein erteilt werden könnte.

Bei Verstößen gegen die funktionelle Zuständigkeit ist zu differenzieren:

Ein Einziehungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gewillkürter Erbfolge erteilt, wenn hier nicht die Möglichkeit der Übertragung durch den Richter gem. §§ 8 Abs. 4, 16 Abs. 3 RPflG bestand.
Dagegen ist der Erbschein nicht einzuziehen, wenn deutsches Erbrecht anwendbar ist und der Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge zu erteilen war. Dazu führte das BayObLG[162] aus:

Zitat

"Hat der Rechtspfleger einen Erbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge nach deutschem Recht erteilt, so ist dieser nicht unrichtig, auch wenn für die Entscheidung über die Erteilung der Richter zuständig gewesen wäre, weil ein Beteiligter das Vorliegen eines Testaments behauptet hat. Das Nachlassgericht darf einen Erbschein nicht schon deshalb einziehen, weil sich aufgrund neuer Umstände oder vorläufiger Ermittlungen die Möglichkeit seiner Unrichtigkeit ergibt. Es darf über die Einziehung erst entscheiden, nachdem es den für die Beurteilung der Richtigkeit maßgeblichen Sachverhalt abschließend aufgeklärt hat."

 

Rz. 262

 

Hinweis

Die Einziehung erfolgt von Amts wegen. Ein in der Praxis üblicher "Antrag" eines Beteiligten ist als Anregung zu werten, § 24 FamFG.

[157] Vgl. Grüneberg/Weidlich, § 2361 BGB Rn 2.
[158] BayObLG NJW-RR 1997, 1438; BayObLGZ 1994, 73.
[159] BGHZ 30, 220; BayObLGZ 1951, 561.
[160] BayObLG Rpfleger 1981, 112; OLG Hamm OLGZ 1972, 352.
[162] BayObLG FamRZ 1997, 1370.

bb) Muster: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit

 

Rz. 263

Muster 7.55: Antrag auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit

 

Muster 7.55: "Antrag" auf Einziehung eines Erbscheins wegen formeller Fehlerhaftigkeit

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

_________________________

Nachlasssache _________________________

Az. _________________________

Einziehung des Erbscheins

In der Nachlasssache _________________________, verstorben am _________________________ in _________________________, beantrage ich namens und im Auftrag meines Mandanten _________________________, den vom Amtsgericht _________________________ am _________________________ der Witwe des Erblassers, _________________________, erteilten Erbschein einzuziehen.

Unabhängig davon, ob der Erbschein materiell-rechtlich in Ordnung ist, hätte er so nicht erteilt werden dürfen, weil ein entsprechender Antrag der _...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge