Rz. 223

Muster 7.46: Beschwerde wegen Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht bei der Auslegung eines Erbvertrages

 

Muster 7.46: Beschwerde wegen Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht bei der Auslegung eines Erbvertrages

An das

Amtsgericht

– Nachlassgericht –

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Nachlasssache _________________________

Az. _________________________

Beschwerdebegründung:

_________________________ (Einleitung). Das Gericht hat seiner Pflicht, den für die Auslegung maßgeblichen Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären, § 26 FamFG, nicht in vollem Umfang genügt.

Der Grundsatz der Amtsermittlung verpflichtet das Nachlassgericht, alle zur Aufklärung des Sachverhalts erforderlichen Ermittlungen durchzuführen und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben. Das bedeutet zwar nicht, dass allen Beweisanträgen der Beteiligten stattgegeben und allen denkbaren Möglichkeiten zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen nachgegangen werden müsste. Eine Aufklärungspflicht besteht aber insoweit, als das Vorbringen der Beteiligten und der festgestellte Sachverhalt aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des materiellen Rechts bei sorgfältiger Überlegung zu weiteren Ermittlungen Anlass geben. Das Gericht darf seine Ermittlungen erst abschließen, wenn von einer weiteren Beweisaufnahme ein sachdienliches, die Entscheidung beeinflussendes Ergebnis nicht mehr zu erwarten ist (BGHZ 40, 55, 57; BayObLGZ 1983, 153, 161).

Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Amtsgericht nicht hinreichend beachtet, dass es hier nicht um die Auslegung einer einseitigen letztwilligen Verfügung geht, sondern um die Auslegung einer vertragsmäßigen Verfügung in einem Erbvertrag. Daher ist der erklärte übereinstimmende Wille der Vertragsparteien bei Errichtung des Vertrages zu ermitteln, ggf. ist § 157 BGB heranzuziehen (vgl. BayObLGZ 1994, 313, 319 und 1995, 120, 123). Maßgebend ist, was die Vertragsteile erklärt haben, und wie das Erklärte aus der Sicht des anderen Teils zu verstehen war (BGHZ 106, 359, 361). Daher ist es für die Ermittlung des Vertragsinhalts in aller Regel von Bedeutung, welche Vorstellungen der Vertragspartner des Erblassers mit den in dem Vertrag getroffenen Verfügungen verbunden hat. Das Amtsgericht hätte deshalb aus Gründen der Sachaufklärung die geschiedene Ehefrau des Erblassers zum Inhalt des Vertrages anhören müssen, um dadurch zu klären, ob und gegebenenfalls welche Vorstellungen sie und – aus ihrer Sicht – der Erblasser für den Fall der Scheidung hinsichtlich der Fortgeltung der in dem Erbvertrag enthaltenen Verfügungen gehabt haben.

Der Beschwerdeführer hat den beurkundenden Notar als Zeugen dafür benannt, dass die Erbeinsetzung des Ehegatten nach dem Willen der Vertragspartner nur bei Fortbestehen der Ehe Wirkungen entfalten sollte. Mit diesem Beweisangebot hat sich das Amtsgericht nicht auseinandergesetzt. Es hätte nicht unbeachtet bleiben dürfen. Der beurkundende Notar hat die Pflicht, den Willen der Beteiligten zu erforschen, sie über die Tragweite ihres Geschäfts zu belehren und ihre Erklärungen klar und unzweideutig wiederzugeben (§ 17 Abs. 1 BeurkG). Daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass er mit den Beteiligten auch die Frage der Auswirkungen einer Scheidung auf die in dem Vertrag enthaltenen letztwilligen Verfügungen erörtert hat und von den gesetzlichen Auslegungsregeln abweichende Wünsche der Ehegatten in der Urkunde zum Ausdruck gebracht hätte. Zwar kann bei einer lange zurückliegenden Beurkundung ohne besondere Anhaltspunkte nicht davon ausgegangen werden, dass sich der beurkundende Notar noch an den Beurkundungsvorgang erinnern wird (BayObLG FamRZ 1993, 366).

Das gilt jedoch nicht, wenn in erster Linie Fragen der Beurkundungspraxis des Notars angesprochen sind, bei denen eine Erinnerung an den konkreten Einzelfall nicht erforderlich ist (BayObLGZ 1993, 334, 339). Das betrifft hier zum einen die Frage, ob der Notar bei einer so wichtigen Auslegungsregel wie § 2077 BGB einen abweichenden Willen der Parteien in die Urkunde aufgenommen hätte. Das gilt aber auch für die Frage, ob nach der Praxis des Notars aus der formalen Anordnung der verschiedenen Vertragsgegenstände in dem Ehe- und Erbvertrag Rückschlüsse auf deren Inhalt gezogen werden können, wie das Amtsgericht meint.

Ich beantrage daher, nochmals die genannten Zeugen zu vernehmen.

(Rechtsanwalt)

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