Rz. 437

Erwirbt der Geschädigte ein Ersatzfahrzeug zu einem geringeren Preis als dem im Gutachten festgestellten (Brutto-)Wiederbeschaffungswert, war bislang unklar, inwieweit neben dem Netto-Wiederbeschaffungswert (abzüglich Restwert) zusätzlich Mehrwertsteuerbeträge zu erstatten sind. Inzwischen hat der BGH klargestellt, dass es sich in diesem Fall um eine fiktive Abrechnung handelt, bei der gem. § 249 Abs. 2 S. 2 BGB Mehrwertsteuerbeträge nur insoweit zu erstatten sind, als sie bei der Ersatzbeschaffung konkret angefallen sind (BGH v. 2.7.2013 – VI ZR 351/12 – zfs 2013, 629). Demnach war aufgrund dieser Entscheidung zunächst davon auszugehen, dass je nach Erwerb des Fahrzeugs – vom Händler oder privat – zu differenzieren ist. Allerdings hat der BGH sodann überraschend mit seiner Entscheidung vom 13.9.2016 (VI ZR 654/15 – VersR 2017, 115; bestätigt durch BGH v. 2.10.2018 – VI ZR 40/18 – VersR 2018, 1530) die Auffassung vertreten, dass bei einer solchen tatsächlichen Ersatzbeschaffung zu einem geringeren Preis als vom Gutachter beim Wiederbeschaffungswert kalkuliert neben dem kalkulierten Netto-Wiederbeschaffungswert keine zusätzlichen tatsächlich aufgewendeten Mehrwertsteuerbeträge zu ersetzen seien, weil dies eine unzulässige Kombination von fiktiver und konkreter Abrechnung darstelle. Danach kann der Geschädigte

entweder fiktiv den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert netto abzüglich Restwert) geltend machen; dann erhält er in keinem Fall zusätzlich bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich aufgewendete Mehrwertsteuerbeträge erstattet, selbst z.B. im Falle eines Kaufs eines regelbesteuerten Fahrzeugs beim Händler (BGH v. 2.10.2018 – VI ZR 40/18 – VersR 2018, 1530)
oder er kann von der fiktiven Abrechnung auf die konkrete Abrechnung übergehen und den tatsächlich bei der Ersatzbeschaffung aufgewendeten Bruttobetrag geltend machen. Dies ist allerdings für den Geschädigten nicht attraktiv, wenn er sich ein günstigeres Ersatzfahrzeug zu einem Preis beschafft, welcher brutto unter dem Netto-Wiederbeschaffungswert seines Unfallfahrzeugs nach Gutachten liegt.

Dieser Auffassung des BGH ist nicht zuzustimmen, weil bereits der Gesetzgeber mit der Einführung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 14/7752, S. 24) explizit die Kombination einer grundsätzlich fiktiven Schadensabrechnung (netto) mit einer konkreten Abrechnung hinsichtlich der tatsächlich aufgewendeten (Teil-)Mehrwertsteuerbeträge ("soweit") im Auge hatte.

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