Rz. 23

Das Zuständigkeitssystem der EuErbVO ist, wie gesehen (Rdn 9), vom Grundsatz des Gleichlaufs mit dem in der Sache anwendbaren Recht geprägt: Sowohl die internationale Zuständigkeit als auch das Erbstatut richten sich beide objektiv nach dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers. Hat der Erblasser allerdings von seinem Wahlrecht nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO Gebrauch gemacht und sein Heimatrecht als Erbstatut bestimmt, so würden internationale Zuständigkeit und materiell anwendbares Recht auseinanderfallen, der Richter müsste also ein fremdes Recht anwenden. In diesen Fällen (nicht aber bei anderen Situationen, wo anwendbares Recht und Forum auseinanderfallen, etwa bei wesentlich engerer Verbindung nach Art. 21 Abs. 2 EuErbVO) hat der Gesetzgeber in den Art. 5 ff. EuErbVO für die Beteiligten verschiedene Möglichkeiten geschaffen, um die Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates des Erblassers zu begründen und so den Gleichlauf wiederherzustellen (ErwG 27). Im Einzelnen ist dies der Fall

bei einer Gerichtsstandsvereinbarung der betroffenen Parteien (Art. 5, 7 lit. b EuErbVO),
bei ausdrücklicher Anerkennung der Zuständigkeit durch die Verfahrensparteien (Art. 7 lit. c EuErbVO),
auf Antrag einer Partei nach Ermessen des Gerichts (Art. 6 lit. a EuErbVO) und schließlich
bei rügeloser Einlassung (Art. 9 Abs. 1 EuErbVO).
 

Rz. 24

Stets ist aber eine entsprechende Initiative von Seiten der Verfahrensparteien erforderlich, d.h., diese können das Verfahren stattdessen auch weiterhin vor dem nach Art. 4 EuErbVO zuständigen Gericht durchführen, wenn ihnen dies einfacher erscheint.

 

Rz. 25

All diese Fälle setzen zunächst eine Rechtswahl durch den Erblasser nach Art. 22 EuErbVO voraus. Dieser kann für seine Nachfolge in einer Verfügung von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem er im Zeitpunkt der Wahl oder im Zeitpunkt seines Todes angehört. Nach dem eindeutigen Wortlaut der EuErbVO ist nur eine Wahl des Erbstatuts nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO in der Lage, eine Zuständigkeit der Gerichte des gewählten Heimatrechts zu begründen; nicht ausreichend ist dagegen eine bloße Wahl des Errichtungsstatuts für ein Testament nach Art. 24 Abs. 2 EuErbVO bzw. für einen Erbvertrag nach Art. 25 Abs. 3 EuErbVO.[23]

 

Rz. 26

Für Altfälle werden noch für lange Zeit die Übergangsregeln in Art. 83 EuErbVO Bedeutung behalten. Hatte der Erblasser vor dem 17.8.2015 eine Rechtswahl getroffen, die nach dem damals geltenden Kollisionsrecht wirksam war, so bleibt diese auch nach dem Inkrafttreten der EuErbVO unter den Voraussetzungen des Art. 83 Abs. 2 EuErbVO beachtlich. In diesem Falle kann dann auch die internationale Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaates, dessen Recht gewählt wurde, nach Art. 5 ff. EuErbVO begründet sein, und zwar selbst dann, wenn das damals zulässig gewählte Recht nicht das Heimatrecht des Erblassers war. Nicht übersehen werden darf zudem die Rechtswahlfiktion in Art. 83 Abs. 4 EuErbVO, die immer dann eingreift, wenn der Erblasser die Verfügung von Todes wegen vor dem Stichtag "nach dem Recht" errichtet hat, das er nach Art. 22 Abs. 1 EuErbVO hätte wählen können. Auch eine solche fingierte Rechtswahl genügt den Anforderungen der Art. 5 ff. EuErbVO.

[23] Janzen, DNotZ 2012, 484, 491; Köhler, in: Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch, Internationales Erbrecht, 2. Aufl. 2017, Teil 1 § 3 Rn 4; Wall, in: Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2016, Art. 6 EuErbVO Rn 16. A.A. aber Hess, in: Dutta/Herrler, Die Europäische Erbrechtsverordnung, S. 139; MüKo-BGB/Dutta, 7. Aufl. 2018, vor Art. 4 EuErbVO Rn 16.

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