Rz. 1

Ebenso wenig wie das Gesetz eine Definition des Begriffs "Unternehmen" kennt, ist ein bestimmter Vertragstypus zur Unternehmensnachfolge bzw. zur lebzeitigen Übertragung eines Unternehmens vorgesehen. Im Grunde handelt es sich bei der Unternehmensnachfolge unter Lebenden entweder um einen Sonderfall der vorweggenommenen Erbfolge (was das konkret bedeutet vgl. sogleich Rdn 6 ff.) oder um einen Unternehmensverkauf. Oftmals sind natürlich auch Mischformen anzutreffen, so insbesondere in den Fällen, in denen zwar eine Kaufpreiszahlung vereinbart und auch tatsächlich ausgeführt wird, sich die Beteiligten aber darüber im Klaren und einig sind, dass der vereinbarte Preis – mitunter deutlich – hinter dem wahren Unternehmenswert zurückbleibt.

 

Rz. 2

Wenig anders stellt sich die Situation bei der Nachfolge von Todes wegen dar. Auch hier stehen sämtliche erbrechtlichen Gestaltungsmittel zur Verfügung. Die entscheidende Besonderheit besteht aber darin, diese so einzusetzen, dass der mit der gewünschten Unternehmensnachfolge angestrebte wirtschaftliche Zweck auch tatsächlich erreicht wird.

Vor diesem Hintergrund ist bei sämtlichen Gestaltungsüberlegungen zunächst im Vorfeld zu klären, wie dieser wirtschaftliche Zweck im konkreten Fall definiert werden kann. Geht es allein um den Fortbestand des Unternehmens? Oder spielen – wie meistens – auch andere Faktoren eine Rolle?

 

Rz. 3

In vielen Fällen bildet das Unternehmen den wesentlichen Teil des Vermögens – nicht nur des Unternehmers als Einzelperson sondern der ganzen Familie. Die Erträge des Unternehmens sind dann oftmals die einzige nennenswerte Einkommensquelle. In derartigen Konstellationen stellt sich unausweichlich die Frage, ob eine – vielleicht bislang favorisierte – reine Schenkung überhaupt wirtschaftlich umsetzbar ist. Kann sich der Unternehmer eine unentgeltliche Abgabe ohne Vorbehalt von Nutzungsrechten und ohne Zusage von Versorgungsleistungen etc. überhaupt leisten (vgl. hierzu unten § 20) Wie sollen der Ehegatte des Übergebers und/oder z.B. die Geschwister des Übernehmers abgefunden werden etc.? Diese Vorfragen sind äußerst vielschichtig und mitunter auch nicht leicht zu beantworten. Nichtsdestotrotz ist ohne ihre Klärung eine tragfähige Konzeption nicht (bzw. nur dank glücklichen Zufalls) möglich.

 

Rz. 4

Auf der Grundlage dieser Vorüberlegungen sind zunächst drei Grundsatzentscheidungen zu treffen, die den weiteren Fortgang der Gestaltungsüberlegungen determinieren:

Unternehmensnachfolge unter Lebenden oder von Todes wegen?
Übergabe in der Familie oder an einen Dritten?
Unentgeltliche, teilweise entgeltliche oder vollentgeltliche Übertragung?

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheinen mag, gibt es für jede dieser Fragen deutlich mehr als jeweils nur eine Antwort. Mischformen sind in allen Bereichen denkbar. So kann es durchaus sinnvoll sein, einen Teil des Unternehmens (bzw. der Gesellschaftsanteile) unter Lebenden zu übertragen, einen Teil aber bis zum Tod zu behalten und dann erbrechtlich (oder auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage) übergehen zu lassen. Auch Kombinationen von familieninternen und externen Nachfolgern – sowohl in der Managementverantwortung als auch in der Unternehmer-/Gesellschafterrolle – sind durchaus vorstellbar. Und was die Frage des Entgelts angeht, so liegt es auf der Hand, dass zwischen vollständiger Unentgeltlichkeit und einem drittüblichen Kaufpreis (verbunden mit drittüblichen Garantien etc.) unzählige Zwischenstufen gewählt bzw. gestaltet werden können.

Somit ergeben sich unzählige Kombinationsmöglichkeiten, mit deren Hilfe für praktisch jede – rechtliche[1] – Aufgabenstellung die passende Vertragsgestaltung ersonnen werden kann.

 

Rz. 5

Die wesentlichen für die Praxis relevanten Gestaltungsmodelle sollen nachfolgend kurz umrissen bzw. erläutert werden. Dabei werden diejenigen Gestaltungsmodelle, die nicht auf einen Verkauf zu Konditionen wie unter fremden Dritten abzielen, als Modelle der "klassischen" Unternehmensnachfolge bezeichnet, da sie – in der einen oder anderen Form – den praktischen Regelfall der familieninternen Nachfolge bilden.

[1] Die Lösung der wirtschaftlichen und sonstigen Aufgabestellungen sollte hier bereits abgeschlossen sein. Denn das wirtschaftliche Konzept bildet ja gerade den Gegenstand der juristisch sauberen Umsetzung. Mängel des wirtschaftlichen Konzepts kann die beste juristische Umsetzung nicht kurieren!

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