Rz. 268

Schwierig gestaltet sich die Frage der Verjährung des Pflichtteilsanspruchs, wenn die Vaterschaft zwischen nichtehelichem Abkömmling und Erblasser nicht festgestellt ist. Die Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB begründet nämlich ein materiell-rechtliches Verbot,[485] familien- und erbrechtliche Ansprüche im Verhältnis Vater und Kind bzw. Dritten bis zur Rechtskraft des die nichteheliche Vaterschaft feststellenden Urteils geltend zu machen. § 1600d Abs. 4 BGB ist insoweit Rechtsausübungssperre.[486] Die Entstehung der Ansprüche wird allerdings nicht gehindert.[487] Diese Feststellung gründet insbesondere in der Rückwirkung der rechtskräftigen Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft.[488]

 

Rz. 269

Pflichtteilsansprüche entstehen gem. § 2317 BGB grundsätzlich mit dem Erbfall. Infolge der Sperrwirkung kann sich der Berechtigte aber nicht auf die nichteheliche Vaterschaft berufen und damit den Anspruch nicht vor Rechtskraft geltend machen. Dies könnte theoretisch dazu führen, dass Pflichtteilsansprüche verjähren, ehe die Möglichkeit der Geltendmachung besteht. Höchstrichterliche Rechtsprechung gibt es zu dieser Frage nicht.[489] Auch in der Literatur ist die Frage nach den Auswirkungen eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens auf die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen bisher nicht erkennbar thematisiert worden.

 

Rz. 270

Höchstrichterlich entschieden und wissenschaftlich beleuchtet wurde allerdings der Einfluss des Vaterschaftsfeststellungsverfahrens auf die Verjährung des Unterhaltsanspruchs eines nichtehelichen Kindes.[490] Im Ergebnis besteht Einigkeit darüber, dass die Verjährung nicht vor rechtskräftiger Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft zu laufen beginnt.[491] Als tragendes Argument wird die Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB angeführt, im Einzelnen ist der dogmatische Lösungsweg jedoch umstritten.[492] Das Ergebnis ist für die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen aufgrund der gleichen Sachlage ebenfalls heranzuziehen.[493] Die Sperrwirkung des § 1600d Abs. 4 BGB hat allerdings keinen Einfluss auf den Beginn der dreijährigen Verjährung des Anspruchs nach § 2329 BGB.[494] Auch wenn die Vaterschaft erst nach mehr als drei Jahren seit dem Erbfall rechtskräftig festgestellt wird, ist der Anspruch nach § 2329 BGB bereits verjährt, da auch ein nicht entstandener und nicht fälliger Anspruch verjähren könne.[495]

[485] Klagt der Pflichtteilsberechtigte vor Feststellung der nichtehelichen Vaterschaft auf den Pflichtteil, ist die Klage nicht nur als unzulässig, sondern vielmehr als unbegründet abzuweisen; vgl. Staudinger/Rauscher, § 1600d Rn 92, § 1594 Rn 9.
[486] Palandt/Brudermüller, § 1600d Rn 18.
[487] Palandt/Brudermüller, § 1600d Rn 19; MüKo/Mutschler, § 1600a (a.F.) Rn 12; a.A. BGHZ 85, 274–288, die wohl auf der Unterscheidung zw. Entstehung und "Entstehung i.S.d. § 198 BGB" basiert; so jedenfalls Soergel/Gaul, § 1600a (a.F.) Rn 21.
[488] BSG FamRZ 1983, 270–271; Boehmer, FamRZ 1960, 213–218.
[489] Höchstrichterlich entschieden wurde bisher, dass ein Pflichtteilsanspruch des nichtehelichen Kindes nach seinem Vater erst entsteht, wenn die Vaterschaft festgestellt ist, vgl. BGHZ 85, 274–288 (277); zur Frage der Verjährung eines Erbersatzanspruches bei ungeklärter Vater-Kind-Zuordnung nach § 1934b Abs. 2 BGB a.F. vgl. OLG Hamm NJW-RR 1986, 165.
[490] BGH FamRZ 1981, 763–765.
[491] BGHZ 48, 361–369; zum gleichen Ergebnis gelangt das BSG in der Frage der Verjährung des Kindergeldanspruches eines nichtehelichen Kindes, BSG NJW-RR 1994, 131.
[492] BGH FamRZ 1981, 763–765.
[493] Palandt/Brudermüller, § 1600d Rn 16; Horn, ZErb 2016, 232.
[494] Horn, a.a.O., S. 234.
[495] LG Wuppertal ZErb 2016, 235, 236.

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