Rz. 92

Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Bewertung der Gegenleistung. Als typische Gegenleistung kann hier bspw. die Schuldübernahme oder die Einräumung eines Nießbrauchsrechts oder eines Wohnrechts vereinbart werden. Auch wenn nach neuerer Rechtsprechung des BGH die Einräumung eines Wohnrechts als Auflage bewertet worden ist, ist diese im Rahmen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs wie eine Gegenleistung wertmindernd zu berücksichtigen.[158] Die Gegenleistung kann in einem solchen Fall den für die Berechnung des Ergänzungsanspruchs maßgeblichen Wert mindern. Für die Bewertung selbst geht § 2325 Abs. 2 BGB von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise aus, d.h., es ist der Wert des übergebenen Gegenstands unter Abzug der Gegenleistung zu ermitteln.[159] Behält sich der Erblasser einen lebenslangen Nießbrauch an dem übergebenen Grundstück vor, so ist dieser anhand der Lebenserwartung in Höhe der kapitalisierten Nutzung in Abzug zu bringen, soweit es auf den Zeitpunkt der Schenkung ankommt (§ 2325 Abs. 2 BGB).[160] Die Lebenserwartung des Schenkers ergibt sich aus der Sterbetafel. Für die Kapitalisierung des Nießbrauchsrechts ist der jährliche Reinertrag anhand einer auf der amtlichen Sterbetafel ruhenden Tabelle zu entnehmen.

 

Hinweis

Ein Rückübertragungsvorbehalt kann mit bis zu 10 % des Verkehrswertes angesetzt werden.[161]

 

Rz. 93

Ein weiteres Bewertungsproblem in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob bei Abzug des Nießbrauchs von einem abstrakten kapitalisierten Wert auszugehen, oder ob, was bei der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs immer möglich ist, die tatsächliche Lebensdauer des Erblassers zu berücksichtigen ist. In konsequenter Anwendung der Rechtsprechung des BGH ist auf den abstrakten kapitalisierten Nießbrauchswert abzustellen, da es um die Ermittlung des Wertes zum Zeitpunkt der Schenkung geht.[162] Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn Besonderheiten des Sachverhaltes eine kürzere Lebenserwartung wahrscheinlich machen.[163] So hat das OLG Köln für einen "todkranken" Erblasser, der die Übertragung nur einige Wochen überlebte, keinen Wert angesetzt.[164] Zur Bewertung eines Zuwendungsnießbrauchs vgl. OLG Koblenz.[165]

[158] BGH ZEV 1996, 186.
[159] BGHZ 125, 395.
[160] BGHZ 118, 49; BGH FamRZ 1991, 552.
[161] OLG Koblenz ZErb 2002, 104.
[163] BGHZ 65, 75.
[164] OLG Köln OLG Report 1997, 79.
[165] OLG Koblenz ZEV 2002, 460 mit Anm. Kornexl.

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