Rz. 21

In dieser Entscheidung und noch einmal deutlich in dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29.3.2001[8] ist deutlich erklärt worden, dass in Eheverträgen der Schutz vor unangemessener Benachteiligung beachtet werden muss. Ein Ehevertrag darf die Unterlegenheitsposition einer Partei nicht durch ihre einseitige vertragliche Belastung und die unangemessene Berücksichtigung der Interessen der anderen Partei ausdrücken. Das Bundesverfassungsgericht hat deutlich festgelegt:

Zitat

"Ein Verzicht auf gesetzliche Ansprüche bedeutet insbesondere für den Ehegatten eine Benachteiligung, der sich unter Aufgabe einer Berufstätigkeit der Betreuung des Kindes und der Arbeit im Hause widmen soll. Je mehr im Ehevertrag gesetzliche Rechte abbedungen werden, desto mehr kann sich der Effekt einseitiger Benachteiligung verstärken."[9]

Das BVerfG verlangt für die Frage der Korrekturbedürftigkeit eines Ehevertrages eine "Gesamtschau" der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses und im Zeitpunkt der Scheidung.[10]

 

Rz. 22

Zu den Risikofaktoren bei Eheverträgen[11] kann die folgende Checkliste als Hilfestellung dienen:

 

Risikofaktoren ja:

Vertragsschluss in einer Zwangssituation (Terminsnot, Schwangerschaft, wirtschaftliche Abhängigkeit, Drohung, Täuschung).
Für einen Vertragsteil werden sämtliche Rechte abbedungen.
Gemäß der Gesamtschau der Verhältnisse wurde ein wesentliches Teilrecht abbedungen.
Die notarielle Belehrung (§ 17 BeurkG) war unterblieben oder mangelhaft, so dass der oder die Beteiligten die Tragweite des Geschäfts nicht verstanden haben (oder haben wollen).

Risikofaktoren nein:

Nur ein unwesentliches Teilrecht abbedungen.
Vertrag von jungen Leuten mit stabiler Einkommenssituation geschlossen.
Beim Globalverzicht wurden ausreichende, gleichwertige Kompensationsleistungen vereinbart (Lebensversicherungen, Grundstücksübereignung, Geldanlage).
Ehepartner wollen beide freiberuflich tätig sein und haben daher aus Risikogründen Teilhaberrechte abbedungen.
Ehepartner haben keinen Kinderwunsch, feste und zukunftssichere Einkünfte und schließen sämtliche Teilhaberechte aus.
Beide Ehepartner haben unbelastete Immobilien, bereits ausreichende Rentenanwartschaften und verfügen über Ausbildungen in krisensicheren Berufen (Idealfall).
Junge Ehepartner haben bei Vertragsschluss sichere Einkommensquellen, akademische Ausbildungen, Berufserfahrung, dauerhafte Chancen auf dem Arbeitsmarkt, kein eigenes unbewegliches Vermögen, Absicherung durch Elternvermögen und einen Globalverzicht vereinbart.
 

Hinweis

Ein gerichtlicher Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Ehevertrages ist mangels Feststellungsinteresses unzulässig, solange kein Scheidungsantrag gestellt und auch sonst offen ist, ob es zur Scheidung der Parteien kommt.[12]

Die Nichtigkeit eines Ehevertrages kann aber gemäß § 139 BGB auch nicht aus einer Bestimmung hergeleitet werden, die bei der Vertragsdurchführung nicht zur Anwendung kommen konnte.[13]

[9] So BVerfG FamRZ 2001, 985; OLG München FamRZ 2003, 35 mit Anmerkung Bergschneider, FamRZ 2003, 38;
[10] BVerfG FamRZ 2001, 985; zur richterlichen Kontrolle von Unterhaltsverzichten vgl. Goebel, FamRZ 2003, 1513.
[11] Vgl. zur "Inhaltskontrolle von Eheverträgen" BFH FamRZ 2013, 195; BGH FamRZ 2013, 269; Münch, FamRZ 2005, 570; Münch, FamRZ 2013, 160.

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