Rz. 103

Das Stimmrecht steht grundsätzlich jedem Wohnungseigentümer zu; Sonderfälle werden unten (→ § 7 Rdn 107) dargestellt. Stellvertretung bei der Stimmrechtsabgabe ist möglich (→ § 7 Rdn 80). Das Stimmrecht kann im Einzelfall ausgeschlossen sein (→ § 7 Rdn 115).

 

Rz. 104

Für die Berechnung der Stimmenmehrheit bei Beschlussfassungen kommt es auf die "Wertigkeit" des Stimmrechts an, sog. Stimmkraft. In vielen Teilungserklärungen/Gemeinschaftsordnungen ist vorgesehen, dass sich das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen richtet (Wertprinzip), was bei knappen Abstimmungsergebnissen zu aufwändiger Rechenarbeit führen kann. Verbreitet ist auch das Objektstimmrecht, wonach jeder Einheit unabhängig von ihrer Größe oder ihren Miteigentumsanteilen eine Stimme zukommt. Wenn aber die Gemeinschaftsordnung nichts anderes bestimmt, gilt kraft Gesetzes das Kopfprinzip: Jeder Wohnungseigentümer hat eine Stimme (§ 25 Abs. 2 S. 1 WEG).

 

Rz. 105

 

Beispiele: Stimmrechte bei Geltung des Kopfprinzips

1. In einer aus 3 Einheiten bestehenden Eigentümergemeinschaft gehören die Wohnungen Nr. 1 und Nr. 2 dem A, die Wohnung Nr. 3 gehört dem B. Die Gemeinschaftsordnung trifft zum Stimmrecht keine Regelung. Wie sind die Mehrheitsverhältnisse? – Patt! A und B haben jeweils eine Stimme.

2. A kann die Stimmverhältnisse zu seinen Gunsten verändern, indem er das Wohnungseigentum Nr. 2 auf eine andere (ihm nahestehende) Person (z.B. seine Frau) oder auf eine bestehende oder von ihm zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft (z.B. die "A UG") überträgt. Dadurch kann sich A faktisch die Stimmenmehrheit sichern. Eine Verschiebung der Eigentumsverhältnisse nur zu diesem Zweck ist nicht rechtsmissbräuchlich.[130]

3. Gehört die Wohnung Nr. 1 allein dem A, die Wohnung Nr. 2 aber dem Ehepaar Frau und Herr A gemeinsam (gleichgültig, zu welchen Bruchteilen), haben Herr und Frau A insgesamt zwei Stimmen: In Bezug auf die Wohnung Nr. 1 hat Herr A alleine eine Stimme; in Bezug auf die Wohnung Nr. 2 haben Frau A und Herr A gemeinsam eine Stimme. "Der Wohnungseigentümer" i.S.v. § 25 Abs. 2 S. 1 WEG kann nämlich auch eine Mehrheit von Personen sein, wie sich aus Satz 2 der Norm ergibt. Somit bestehen mehrere Stimmrechte, wenn mehrere Wohnungen nur teilweise identischen Miteigentümern gehören oder wenn – wie in dieser Variante – der Miteigentümer einer Wohnung zugleich Alleineigentümer einer anderen Wohnung ist.[131]

4. Im Beispiel 2 überträgt A das Wohnungseigentum Nr. 2 nicht ganz, sondern nur teilweise (z.B. mit einem Anteil von ½ oder von 1/100el) auf seine Frau. Wie vorstehend (c) erwähnt, entsteht dadurch ein neuer Eigentümer ("Kopf") der Wohnung Nr. 2, nämlich die "Ehegatten A" mit prinzipiell separatem Stimmrecht. Ob die Berufung auf das solcherart herbeigeführte neue Stimmrecht in bestimmten Fällen treuwidrig sein kann (vielleicht bei einer Übertragung von weniger als dem halben Bruchteilseigentum?), ist noch nicht höchstrichterlich entschieden. Nach hiesiger Prognose wird der BGH die Berufung auf ein formal bestehendes Stimmrecht aber in keinem Fall (auch nicht bei der Übertragung von 1.000el Bruchteil) für unzulässig erklären.

 

Rz. 106

Steht ein Wohnungseigentum mehreren gemeinschaftlich zu, können sie das Stimmrecht nur einheitlich ausüben (§ 25 Abs. 2 S. 2 WEG). Im vorstehenden Beispiel müssen sich deshalb die Eheleute A, soweit sie gemeinsam Eigentümer einer Wohnung sind, untereinander verständigen, wie abgestimmt werden soll oder einen von ihnen zur Stimmabgabe bevollmächtigen. Eine widersprüchliche Stimmabgabe ist unwirksam.

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