Rz. 84

Ablehnungsanträge können bei Vorliegen eines Ablehnungsgrundes gestellt werden gegen:

Richter, §§ 42 ff. ZPO,
Rechtspfleger, § 10 RPflG,
Gerichtsvollzieher, § 155 GVG,
Schiedsrichter, § 1036 ZPO,
Sachverständige, § 406 ZPO,
Dolmetscher, § 191 GVG.

I. Befangenheitsantrag gegen einen Richter

 

Rz. 85

Ein Richter kann sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, § 42 Abs. 1 ZPO. Ablehnungsgründe sind somit sämtliche Ausschließungsgründe und die Besorgnis der Befangenheit.

 

Rz. 86

Ist das Gericht voreingenommen und ist zu befürchten, dass der Rechtsstreit verloren wird, kann ggf. noch mit einem Wechsel des Richters – erzwungen durch einen Befangenheitsantrag – vorgegangen werden. Der Antrag sollte unbedingt nur dann gestellt werden, wenn er absolut aussichtsreich ist. Ansonsten droht eine atmosphärische Störung des weiteren Verfahrens, wenn dem Gericht erfolglos ein Fehlverhalten vorgeworfen wurde. Ein Befangenheitsverfahren sollte ultima ratio bleiben.

 

Rz. 87

Nach der Definition des Gesetzes, § 42 Abs. 2 ZPO, findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Nach dieser Norm kann eine Partei einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit nur ablehnen, wenn objektive Gründe vorliegen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Geeignet, Misstrauen gegen eine unparteiliche Amtsausübung des Richters zu rechtfertigen, sind nur objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber; rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Gesuchstellers scheiden aus.[38]

 

Rz. 88

Verfahrensmängel sind dazu nur dann geeignet, wenn das prozessuale Vorgehen des Richters einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage entbehrt und sich so sehr von einem normalerweise geübten Verfahren entfernt, dass sich für die dadurch betroffene Partei der Eindruck einer sachwidrigen auf Voreingenommenheit beruhenden Benachteiligung aufdrängt.[39] Dies ist jedoch erst anzunehmen, wenn die Grenze zu einem willkürlichen Handeln überschritten ist. Das Vorliegen eines "Verfahrensfehlers" begründet also allein noch keine Voreingenommenheit.

 

Rz. 89

Einer Partei ungünstige Ausführungen im Rahmen der richterlichen Hinweis- und Begründungspflicht oder bei einem Vergleichsvorschlag rechtfertigen keine Befangenheitsbesorgnis, insbesondere wenn sie eine erst vorläufige Beurteilung darstellen.[40] Die Rechtsauffassung eines Richters vermag generell keine Befangenheitsbesorgnis zu rechtfertigen;[41] auf eine behauptete Fehlerhaftigkeit der Rechtsauffassung kommt es prinzipiell nicht an.[42] Denn die Befangenheitsablehnung ist kein Instrument zur Fehlerkontrolle;[43] auch fehlerhafte Entscheidungen sind deshalb grundsätzlich kein Ablehnungsgrund.[44]

 

Rz. 90

Ein geeigneter Ablehnungsgrund kann beispielsweise vorliegen, wenn der Richter

enge verwandtschaftliche Verhältnisse zu einer Partei hat,
in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei ist, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht,[45]
eine Ehegattin hat, die als Sekretärin der Rechtsanwaltskanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt,[46]
erklärt, er halte den Prozess für unbedeutend oder für "Blödsinn",
gegenüber der Partei oder dem Rechtsanwalt gehässig ist,
in einem Pressegespräch das voraussichtliche Prozessergebnis mitteilt,
einer Partei rät, sich auf Verjährung zu berufen,
einer Partei empfiehlt, "sich in die Säumnis zu flüchten",
in einer erneuten Verhandlung nach einer Zurückverweisung an seiner Rechtsauffassung festhält, welche das Berufungsgericht schon zurückgewiesen hatte.
 

Rz. 91

Der Befangenheitsgrund – Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters – muss im Rahmen eines nach § 44 Abs. 1 ZPO zu stellenden Ablehnungsgesuchs glaubhaft gemacht werden, § 44 Abs. 2 ZPO. Dabei kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters, mithin auf seine dienstliche Äußerung nach § 44 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 ZPO, Bezug genommen werden. Die eigene Versicherung der Partei an Eides statt ist unstatthaft (§ 44 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. ZPO).

 

Formulierungsbeispiel:

Zitat

[…] Ich lehne den zuständigen Richter am Amtsgericht […] wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Begründung:

In dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 16.3.2020 erklärte dieser wörtlich, er habe "keine Zeit für solche Kinkerlitzchen".

Zur Glaubhaftmachung beziehe ich mich auf die einzuholende dienstliche Äußerung des RiAG […]

 

Rz. 92

Für die mündliche Verhandlung ist § 43 ZPO zu beachten. Danach führt es zum Verlust eines bekannten Ablehnungsgrundes, wenn sich die Partei in der Verhandlung eingelassen oder ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge