Rz. 26

Das KG hat in seiner Entscheidung den auf Zugangsverschaffung gerichteten Klageantrag zwar als ausreichend bestimmt angesehen. Es hat ihn aber – anders als noch die Vorinstanz – auch dahingehend ausgelegt, die Erbin verlange damit "die Ermöglichung des Zugriffs auf die im Account befindlichen Inhalte im Sinne eines passiven Leserechts".[29]

 

Rz. 27

Folgt man dieser Auslegung, so wäre vom Klageantrag also nur die Kenntnisnahme von den Inhalten des Benutzerkontos erfasst, nicht aber seine Nutzung.[30] Die Klägerin hätte also, wenn sie mehr erstreiten will als ein passives Leserecht, neben der Zugangsverschaffung bspw. auch die Duldung der Löschung von Inhalten oder des gesamten Benutzerkontos durch sie oder die Duldung der Nutzung des Benutzerkontos beantragen müssen.

 

Rz. 28

Aus unserer Sicht ist die Auslegung des KG nicht richtig. Es geht bei der Zugangsverschaffung um mehr als ein passives Leserecht. Der Zugang zu dem Benutzerkonto ermöglicht dessen vollständige Nutzung bis hin zur Löschung des Benutzerkontos. Das Informationsinteresse der Erben dürfte zwar regelmäßig die entscheidende Motivation für die Klage sein. Das rechtfertigt aber nicht die einschränkende Auslegung des Klageantrags. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Erben als Rechtsnachfolger mit dem Zugang nur ein eingeschränktes Recht und nicht die volle Verfügungsmacht über das Benutzerkonto erlangen wollen. Wenn es bspw. um ein E-Mail-Konto geht, so sind ggf. noch bestehende Vertragsverhältnisse über dieses abzuwickeln. Dazu benötigen die Erben den Zugang zu diesem Konto und eben nicht nur ein passives Leserecht. Nicht anders ist es letztlich bei Benutzerkonten bei sozialen Netzwerken. Auch hier bedürfen die Erben schon zur Abwicklung des Vertragsverhältnisses den vollen Zugang und die Nutzungsmöglichkeit. Selbst wenn das Vertragsverhältnis mit dem Tod beendet würde, bestünde es mit den Erben als Rückabwicklungsschuldverhältnis fort.

 

Rz. 29

Für die Praxis muss man angesichts der Entscheidung des KG gleichwohl dazu raten, den Antrag ggf. erläuternd weiter zu fassen. Da (höchst-)gerichtlich noch nicht abschließend geklärt ist, ob ein vollständiger Eintritt in das Vertragsverhältnis erfolgt (siehe § 4 Rdn 4 ff.) und auch nicht sicher ist, ob der Antrag auf Zugang ein nur passives Leserecht umfasst oder ein Minus oder ein Aliud zur Zugangsverschaffung i.S.e. umfassenden Nutzungsbefugnis darstellt, sollte außerdem mit Haupt- und Hilfsanträgen gearbeitet werden. Es ließe sich bspw. an folgende Anträge denken:

 

Formulierungsbeispiel: Vorschlag für einen Klageantrag

Die Beklagte wird verurteilt, den Miterben nach der am (…) verstorbenen Erblasserin (…) namentlich (…) vollständigen Zugang zu dem Benutzerkonto (…) bei (…) zu verschaffen und zu gewähren, so dass die Miterben das Benutzerkonto wie zuvor die Erblasserin nutzen kann, also insbesondere alle Funktionen des Benutzerkontos nutzen und auf alle dort gespeicherten Inhalte zugreifen und über diese verfügen kann.

Hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt den Miterben nach der am (…) verstorbenen Erblasserin (…) namentlich (…) Zugang zu dem Benutzerkonto (…) bei (…) zu verschaffen, so dass diese auf alle dort gespeicherten Inhalte zugreifen und über diese verfügen können.

Wiederum hilfsweise:

Die Beklagte wird verurteilt, den Miterben nach der am (…) verstorbenen Erblasserin (…) namentlich (…) Zugang zu dem Benutzerkonto (…) bei (…) im Sinne eines passiven Leserechtes zu gewähren.

[29] KG, Urt. v. 31.5.2017 – 21 U 9/16, dort Rn 58, ZErb 2017, 225 = ZEV 2017, 386.
[30] Von einem auf Nutzung gerichteten Klageantrag ging in der 1. Instanz aber noch LG Berlin aus, LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ErbR 2016, 223 = ZErb 2016, 109 = ZEV 2016, 189.

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