(1) Inhalts- und Erklärungsirrtum

 

Rz. 547

Hier gelten dieselben Grundsätze wie beim Testamentsanfechtungsrecht, §§ 2281 Abs. 1, 2078 Abs. 1 BGB. Allerdings kann ein Inhaltsirrtum auch in der Weise bestehen, dass sich der Erblasser über die rechtliche Tragweite, vor allem über die Bindungswirkung des Erbvertrags, bei seinem Abschluss nicht im Klaren war.[583]

 

Rz. 548

Das objektive Moment, das in § 119 Abs. 1 BGB bei der Anfechtung von Willenserklärungen aufgenommen wurde, nämlich die Einschränkung, dass eine Anfechtung ausgeschlossen ist, wenn der Erklärende bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles die Erklärung trotzdem so abgegeben hätte, gilt weder beim Testament noch beim Erbvertrag. Vielmehr ist hier die subjektive Denk- und Anschauungsweise des Erblassers maßgebend.[584] Zu der Frage, ob die Vorstellungen des Erblassers positiv sein müssen oder ob auch eine unbewusste Vorstellung ausreicht, hat der BGH in seiner Rechtsprechung folgende Grundsätze entwickelt:[585]

 

Rz. 549

Allein die Vorstellungen des Erblassers bei Errichtung der letztwilligen Verfügung sind maßgebend.
Diese Vorstellungen müssen nicht im Testament oder Erbvertrag ihren Niederschlag gefunden haben.
Als Vorstellungen genügen auch unbewusste, d.h. solche, die der Erblasser zwar nicht wirklich hatte, die er aber als selbstverständlich seiner Verfügung zugrunde gelegt hat.
Diese Vorstellungen müssen zumindest auch (kausal) mitbestimmend für die Verfügung/den Erbvertrag gewesen sein.
Zwischen Testamentsanfechtung und Erbvertragsanfechtung wird, was die Vorstellungen des Erblassers betrifft, kein Unterschied gemacht.
[583] OLG Hamm OLGZ 1966, 479; OLG Hamm Rpfleger 1978, 1079.
[584] BGHZ 4, 91 = NJW 1952, 491; BGH NJW 1963, 246.
[585] Nach Veit, NJW 1993, 1553, 1555.

(2) Motivirrtum

 

Rz. 550

Auch der Motivirrtum berechtigt den Erblasser zur Anfechtung, §§ 2281, 2078 Abs. 2 BGB. Anfechtungsgründe können sein: Irrtum, Drohung oder Täuschung (§§ 2281 Abs. 1, 2078 BGB) oder das Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten als vom Gesetz vermuteter Irrtum (§§ 2281 Abs. 1, 2079 BGB). Voraussetzung für eine Anfechtung wegen des Übergehens eines Pflichtteilsberechtigten ist aber, dass dieser zum Zeitpunkt der Anfechtung noch vorhanden ist, § 2281 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Nach § 10 Abs. 6 LPartG ist auch der eingetragene Lebenspartner pflichtteilsberechtigt, so dass auch bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft ein Anfechtungsrecht wegen des Hinzutretens eines Pflichtteilsberechtigten entstehen kann. Auf die einjährige Frist ab rechtswirksamer Begründung der Lebenspartnerschaft[586] ist besonders zu achten, § 2283 BGB.

 

Rz. 551

Die Rechtsprechung hat die Möglichkeit der Anfechtung nach dem Tod des Erblassers beim gegenseitigen Erbvertrag dadurch erschwert, dass sie bei der Anwendung des § 2079 S. 2 BGB (Übergehen eines Pflichtteilsberechtigten) auf den hypothetischen Willen des vorverstorbenen Erblassers Rücksicht nimmt.[587] Die Tendenz der Rechtsprechung zu restriktiver Handhabung des Anfechtungsrechts erklärt sich daraus, dass nach dem Tod eines Erblassers beim gegenseitigen Erbvertrag dessen erbvertragliche Anordnungen bereits wirksam geworden sind. Es besteht eine gewisse Vermutung dafür, dass es dem Willen des vorverstorbenen Erblassers nicht entsprochen hätte, wenn der Erbvertrag rückwirkend auf seinen Todesfall wieder entfiele. Wird eine solche rückwirkende Unwirksamkeit angenommen, so ist der Erbe des vorverstorbenen Erblassers von Anfang an nicht Erbe geworden, auch nicht etwa Vorerbe; vielmehr war er nur Erbschaftsbesitzer. War ihm die Anfechtbarkeit bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt, so haftet er als bösgläubiger Erbschaftsbesitzer nach verschärften Grundsätzen (§§ 2024, 932 Abs. 2, 142 Abs. 2 BGB).

[586] Gem. Art. 3 Abs. 3 des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20.7.2017 (BGBl I 2017, 2787) können ab dem 1. Oktober 2017 keine Lebenspartnerschaften mehr begründet werden, sondern nur noch Ehen.

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