Rz. 517

Die vertragsmäßigen Verfügungen eines Erbvertrages wirken also dann bindend, wenn sie durch eine andere Verfügung von Todes wegen beeinträchtigt werden.

Entscheidend für das Vorliegen einer Beeinträchtigung ist nach herrschender Ansicht nicht der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern derjenige des Erbfalls. Nur dann, wenn der Bedachte auch wirklich Erbe geworden ist, kann es zu einer Beeinträchtigung seines Rechts kommen. Hingegen kann eine Beeinträchtigung nicht mehr eintreten, wenn der Erbvertrag bereits vor dem Erbfall gegenstandslos wird, weil der Bedachte wegfällt. Bei einem Vorversterben des Bedachten behält deshalb eine frühere Verfügung von Todes wegen ihre Wirkung,[555] soweit sich nicht aus dem Erbvertrag ein entgegenstehender Wille des Erblassers ergibt.

 

Rz. 518

Geschützt wird das Recht des vertragsmäßig Bedachten. Würde die anderweitige Verfügung von Todes wegen diese Rechtsstellung mindern, beschränken, belasten oder gegenstandslos machen, so liegt eine Beeinträchtigung vor.[556] Es kommt auf die nachteilige Veränderung der rechtlichen Position des vertragsmäßig Bedachten an. Eine Beeinträchtigung liegt beispielsweise in der Anordnung eines Teilungsverbots (§ 2044 BGB) oder der Anordnung einer Teilung mit Weiterschenkung zu Lasten des Vertragserben[557] oder wenn der Erblasser nach Abschluss des Erbvertrages eine Testamentsvollstreckung anordnen will.[558] Damit würde die Rechtsstellung des vertragsmäßig Bedachten beschränkt werden, insbesondere im Hinblick auf seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bezüglich der einzelnen Nachlassgegenstände, §§ 2205, 2211 BGB. Umstritten ist allerdings, ob es für die Feststellung einer Beeinträchtigung im Sinne des § 2289 Abs. 1 BGB allein auf einen Vergleich aus rechtlicher Sicht ankommt[559] oder ob auch wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden müssen.[560]

Gegen die Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte hat sich der BGH ausgesprochen.[561] Danach kommt es ausschließlich auf die Beeinträchtigung in rechtlicher Hinsicht an. Demgemäß misst der BGH der Auswechslung der Person des Testamentsvollstreckers nur dann beeinträchtigende Wirkung zu, wenn sich durch Auslegung des Erbvertrages ergibt,[562] dass eine solche Kompetenz dem Vertragspartner (z.B. dem Überlebenden der Eheleute) nicht eingeräumt werden sollte.

[555] OLG Zweibrücken ZEV 1999, 439; zum Meinungsstand siehe Anm. Kummer, ZEV 1999, 440.
[556] BGH FamRZ 2012, 1869 Rn 25.
[557] OLG Hamm ErbR 2016, 33 Rn 183.
[558] BGH NJW 1962; OLG Hamm FGPrax 95, 241; OLG München ZEV 2008, 340 unter Ziff. 2c.
[559] MüKo/Musielak, § 2289 Rn 10.
[560] Soergel/Wolf, § 2289 Rn 2.
[561] BGH JZ 1958, 399; NJW 2011, 1733.
[562] BGH FamRZ 2012, 1869 Rn 25. Damit hält der BGH es trotz § 2278 BGB für möglich, dem Erblasser die Möglichkeit zu nehmen, den Testamentsvollstrecker noch auszuwechseln. Im "Württembergischen Modell" lässt sich damit die Position des überlebenden Ehegatten als Testamentsvollstrecker über den Nachlass absichern (zweifelhaft).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge