Rz. 102

Abzugrenzen ist das Vorausvermächtnis insbesondere zur Teilungsanordnung gemäß § 2048 BGB. Diese konkretisiert nur den Erbteil, während das Vorausvermächtnis zusätzlich zum Erbteil erworben wird. Gemäß § 2176 BGB erhält der durch ein Vorausvermächtnis bedachte Miterbe sofort mit dem Erbfall einen schuldrechtlichen Erfüllungsanspruch gegen die Erben, während die Teilungsanordnung nur im Wege der Erbauseinandersetzung geltend gemacht werden kann.

 

Rz. 103

Nach Ansicht des BGH ist für die Abgrenzung entscheidend, ob eine Wertverschiebung eintreten sollte.[146] Es ist also zu prüfen, gegebenenfalls durch Auslegung zu ermitteln,[147] ob der Erblasser den Bedachten im Verhältnis zu den übrigen Miterben begünstigen wollte. Wollte der Erblasser subjektiv dem Bedachten einen Mehrwert zukommen lassen, so ist in der Zuweisung des Gegenstandes ein Vorausvermächtnis zu sehen, ansonsten liegt eine Teilungsanordnung vor.

 

Rz. 104

Die wertmäßige Begünstigung eines Miterben ist nach Meinung des BGH[148] aber nicht unbedingt das alleinige Abgrenzungskriterium. Im Einzelfall kann die Zuwendung als Vorausvermächtnis auch dann gewollt sein, wenn sich unter Berücksichtigung des Erblasserwillens ergibt, dass diese auch für den Fall gelten soll, dass der Bedachte die Erbeinsetzung ausschlägt oder nicht Erbe wird.

 

Rz. 105

 

Formulierungsbeispiel: Vorausvermächtnis an den Erben

Ich setze meine beiden Kinder (...) und (...) zu meinen Vollerben zu gleichen Teilen ein. Zu Ersatzerben bestimme ich die Abkömmlinge meines jeweiligen Kindes nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge, wiederum ersatzweise soll Anwachsung eintreten.

Mein Sohn (...) erhält darüber hinaus im Wege des Vorausvermächtnisses, also ohne Anrechnung auf seinen Erbteil, mein Wertpapierdepot Nr. (...) bei der (...) Bank in (...). Für den Fall, dass mein Sohn vor oder nach dem Erbfall wegfällt, wird entgegen jeder anders lautenden gesetzlichen oder richterlichen Vermutungs- und Auslegungsregel ein Ersatzvermächtnisnehmer nicht benannt. Das Vorausvermächtnis an meinen Sohn (...) entfällt, wenn er die Erbschaft ausschlägt.

[146] BGHZ 82, 274; kritisch Gergen, ZErb 2006, 362.
[147] OLG Nürnberg MDR 1974, 671.
[148] BGH FamRZ 1995, 228.

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