a) Allgemeines

 

Rz. 259

Die Beschränkung des Pflichtteils in guter Absicht ist möglich, wenn der spätere Erwerb der Erbschaft durch Verschwendungssucht oder durch erhebliche Verschuldung des erbenden Abkömmlings gefährdet ist. Die Beschränkung ist hierbei nicht nur auf den Pflichtteil bezogen, sie kann vielmehr auch den gesetzlichen Erbteil und mehr umfassen (vgl. § 863 ZPO).

 

Rz. 260

Eine solche Beschränkung kann aber nur gegenüber dem Abkömmling, nicht gegenüber dem Ehegatten oder den Eltern des Erblassers erfolgen.[286]

 

Rz. 261

Zielsetzung der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht ist einerseits, das wohlverstandene Interesse des Pflichtteilsberechtigten zu schützen und andererseits, das Familienvermögen vor der Gefahr des Verlustes durch Verschwendung oder Überschuldung zu schützen.[287] Hierfür stellt das Gesetz in § 2338 BGB zwei Möglichkeiten zur Verfügung, die auch nebeneinander angewendet werden können und sollten: die Einsetzung der gesetzlichen Erben als Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer und die Anordnung einer Verwaltungsvollstreckung.

[286] MüKo/Lange, § 2338 Rn 4.
[287] Vgl. BeckOK/G. Müller, § 2338 Rn 1.

b) Gestaltung der Beschränkung

 

Rz. 262

Nach § 2338 Abs. 1 S. 1 BGB kann der Erblasser einem Abkömmling seinen Erb- oder Pflichtteil lediglich als Vorerbe bzw. Vorvermächtnisnehmer zukommen lassen und die gesetzlichen Erben des Abkömmlings zu dessen Nacherben bzw. Nachvermächtnisnehmern bestimmen. Dies hat zur Folge, dass durch die Vorerbschaft nicht nur der Pflichtteil bzw. Erbteil der Pfändung entzogen ist, sondern gemäß § 863 ZPO auch die Nutzungen, soweit diese für den standesgemäßen Unterhalt des Pflichtteilsberechtigten und dessen Familie erforderlich sind.

Im Falle einer Nachvermächtnisanordnung ist aber immer eine begleitende Verwaltungsvollstreckung anzuordnen, weil sich der Bedachte ansonsten durch Verfügung über den Gegenstand von der Beschränkung des Nachvermächtnisnehmers befreien kann.

 

Rz. 263

Gleiches gilt für die nach § 2338 Abs. 1 S. 2 BGB bestehende Möglichkeit, eine Dauertestamentsvollstreckung anzuordnen. Hier greift ebenfalls der Schutz des § 863 ZPO ein und dem Abkömmling steht ein Anspruch auf den jährlichen Reinertrag zu.

c) Grund und Form der Pflichtteilsbeschränkung

 

Rz. 264

Der Grund der Beschränkung muss zum Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bereits bestehen und der Abkömmling darf sich zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht dauerhaft von der Verschwendung abgewendet haben bzw. die Überschuldung muss noch bestehen, § 2338 Abs. 2 S. 2 BGB.

 

Rz. 265

Die Pflichtteilsbeschränkung muss in der Form einer Verfügung von Todes wegen erfolgen, § 2338 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 2336 Abs. 1 BGB. Liegen die Voraussetzungen des § 2338 Abs. 1 S. 1 BGB vor, dann greift die Pflichtteilsbeschränkung auch in Bezug auf den Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB[288] oder den Pflichtteilsrestanspruch nach § 2307 Abs. 1 BGB[289] ein. Sie tritt auch dann ein, wenn der Erbe nach § 2306 BGB ausschlägt und seinen Pflichtteil verlangen will, da der ihm zustehende Pflichtteil den Beschränkungen des § 2338 BGB unterliegt.

 

Rz. 266

Im Verhältnis zu § 2306 BGB lag die Bedeutung von § 2338 BGB für bis zum 31.12.2009 eingetretene Erbfälle darin, dass auch bei einer Erbeinsetzung, die die Hälfte des gesetzlichen Erbteils nicht überstieg, die belastenden und beschwerenden Anordnungen entgegen § 2306 Abs. 1 S. 1 BGB a.F. bestehen blieben. Für ab dem 1.1.2010 eintretende Erbfälle gilt: Nach § 2306 Abs. 1 BGB bleiben die angeordneten Beschränkungen unabhängig von der Höhe des Erbteils bestehen. Der Pflichtteilsberechtigte kann wählen, ob er den mit den Anordnungen des § 2338 BGB belasteten Erbteil annimmt oder ausschlägt und den Pflichtteil verlangt. In letzterem Fall gehen die Anordnungen nach § 2338 BGB auf den Pflichtteil über; eine Nacherbschaft wandelt sich dabei in ein Nachvermächtnis um.[290]

Die Bedeutung der Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht für die gestaltende Praxis wird häufig unterschätzt.[291]

 

Rz. 267

 

Formulierungsbeispiel: Pflichtteilsbeschränkung in guter Absicht

Ich bestimme meine beiden Kinder (...) und (...) zu meinen Erben zu jeweils gleichen Teilen. Meine Tochter (...) erhält ihren Erbteil jedoch nur als Vorerbin. Ein Ersatzvorerbe wird entgegen jeder anders lautenden gesetzlichen oder richterlichen Auslegungs- und Vermutungsregel nicht benannt, es gilt die Vorschrift des § 2102 Abs. 1 BGB.

Zu Nacherben bestimme ich die gesetzlichen Erben meiner Tochter. Die Nacherbenanwartschaft ist weder vererblich noch übertragbar. Der Nacherbfall tritt mit dem Tod des Vorerben ein.

Darüber hinaus ordne ich für die Zeit der Vorerbschaft Verwaltungstestamentsvollstreckung an. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, den jährlichen Reinertrag des Erbteils an meine Tochter auszubezahlen. Zum Testamentsvollstrecker bestimme ich (...), ersatzweise für den Fall, dass der Testamentsvollstrecker vor oder nach dem Amtsantritt entfällt, soll das Nachlassgericht einen geeigneten Testamentsvollstrecker bestimmen.

Sollte meine Tochter (...) die Erbschaft ausschlagen und ihren Pflichtteil verlangen, soll dieser gem...

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