Rz. 42

Eine beschränkte Testierfähigkeit kann bei Personen mit Behinderungen vorliegen. Stumme und sprachbehinderte Personen können sowohl ein privatschriftliches als auch ein öffentliches Testament errichten, und zwar nach Verzicht auf das Wort "mündlich" in § 2232 S. 1 BGB und Aufhebung von § 2233 Abs. 3 BGB sowie § 31 BeurkG seit dem 1.8.2002 auch durch Erklärung gegenüber dem Notar.

 

Rz. 43

Wer nicht schreiben kann, kann zwar kein eigenhändiges Testament errichten, er kann aber unter Beachtung von § 25 BeurkG eine Verfügung von Todes wegen in jeder öffentlichen Form errichten (§§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB).

 

Rz. 44

Gemäß § 2247 Abs. 4 BGB darf jemand, der nicht lesen kann, kein eigenhändiges Testament fertigen. Er kann nur gemäß § 2233 Abs. 2 BGB durch Erklärung vor einem Notar testieren. § 2247 Abs. 4 BGB gilt auch für einen Blinden. Er kann nur durch ein öffentliches Testament testieren.[74]

 

Rz. 45

Keiner Einschränkung in der Testierfreiheit unterliegt dagegen ein Gehörloser. Er kann sowohl ein privatschriftliches als auch alle Formen eines öffentlichen Testamentes wählen, wobei an Stelle des notariellen Vorlesens eine "Vorlage zur Durchsicht" zu erfolgen hat (§§ 23, 22 BeurkG).[75]

 

Rz. 46

Schwierigkeiten hinsichtlich der Testierfähigkeit können sich auch bei sogenannten Mehrfachbehinderungen[76] ergeben. So waren bis zum 31.7.2002 Personen mit einer bestimmten Kombination von Behinderungen von der Testierfähigkeit faktisch ausgeschlossen. Dies war z.B. bei einem stummen und zugleich schreibunfähigen oder aber auch bei stummen und zusätzlich leseunfähigen Menschen der Fall.

Nach Neufassung der §§ 2232, 2233 BGB unter Verzicht auf das Erfordernis einer mündlichen Erklärung sowie Aufhebung von § 31 BeurkG besteht seit dem 1.8.2002 auch für diese Personen grundsätzlich die Möglichkeit der Errichtung eines öffentlichen Testamentes. Voraussetzung ist, dass sich diese Personen zwar nicht mündlich, aber hinreichend auf andere Weise dem Notar gegenüber erklären können. Vom Notar sind hierbei die besonderen Verfahrensvorschriften der §§ 2226, 32 BeurkG zu berücksichtigen.

[74] MüKo/Hagena, § 2229 Rn 49.
[75] Vgl. zur Lesefähigkeit i.S.d. § 2247 Abs. 4 BGB OLG Düsseldorf BeckRS 1997, 04715.
[76] Vgl. hierzu Rossak, ZEV 1995, 236; Ertl, MittBayNot 1991, 196; OLG Hamm NJW-RR 1994, 593 gegen das Verfassungsbeschwerde eingereicht wurde.

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