Rz. 506

Soweit der Erbvertrag keine einseitige, jederzeit frei widerrufliche letztwillige Verfügung enthält, können die weitreichenden Auslegungsvorschriften, die im Testamentsrecht gelten, nicht ohne weiteres übernommen werden. Vielmehr ist für die Frage, wie eine Willenserklärung verstanden werden kann, auf den oder die Vertragspartner Rücksicht zu nehmen (vgl. § 2274 BGB).[536] Im Hinblick auf den Vertrauensschutz der am Vertrag beteiligten Personen ist neben § 133 BGB auch § 157 BGB anzuwenden. Bei der Auslegung einer erbvertragsmäßigen Verfügung i.S.v. § 2278 BGB ist zu ermitteln, was die Vertragsteile im maßgebenden Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages erklärt haben und wie das Erklärte aus der Sicht des anderen Teils zu verstehen war.[537] Gegenstand der Auslegung ist hierbei auch, ob eine Verfügung als vertragsmäßig[538] und ob ein Erbvertrag oder gemeinschaftliches Testament[539] gewollt war. Zu prüfen ist deshalb immer, ob eine Auslegung, die dem Willen des einen Vertragspartners entspricht, auch mit dem Willen des anderen vereinbar ist.[540] Diese Grundsätze sind auch bei der ergänzenden Auslegung von Erbverträgen zu beachten.[541] Beim Ehegattenerbvertrag können aus dem späteren Verhalten des überlebenden Ehegatten in aller Regel keine Schlüsse auf den Willen des erstverstorbenen Ehegatten gezogen werden. Das Verständnis des Notars kann Indizwirkung haben[542] und seine Belehrungen sind bei der Auslegung zu berücksichtigen.[543]

 

Rz. 507

Im Übrigen gelten für einseitige Verfügungen innerhalb des Erbvertrages die Auslegungsvorschriften beim einseitigen und gemeinschaftlichen Testament. Es gilt insbesondere auch die Vermutungsregelung des § 2269 BGB (Berliner Testament) über § 2280 BGB, wonach im Zweifel die Schlusserbfolge (Einheitslösung) und keine Vor- und Nacherbfolge (Trennungslösung) gewollt ist.

[536] BGH FamRZ 1983, 380.
[537] BGHZ 106, 359, 361; OLG München FamRZ 2008, 547; FamRZ 2009, 547 = ZErb 2008, 387.
[540] BGH NJW 1961, 120.
[541] OLG Hamm RdL 69, 152.
[542] BayObLG NJW-RR 1997, 835.
[543] OLG Hamm FGPrax 2005, 30.

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