Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer letztwilligen Verfügung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Auslegung nach den Grundsätzen über die Auslegung von Verträgen unterliegt auch die Frage, ob eine letztwillige Verfügung von Ehegatten im Wege eines gemeinschaftlichen Testaments oder erbvertraglich getroffen worden ist.

2. Anzeichen für die Vertragsmäßigkeit letztwilliger Verfügungen von Ehegatten auch ggü. ihren an der notariellen Urkunde mitwirkenden Kindern kann sein, dass die ein Kind begünstigende Verfügung dem Ausgleich einer lebzeitigen Zuwendung an ein anderes Kind dienen soll.

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Beschluss vom 15.04.2004; Aktenzeichen 7 T 84/03)

AG Bochum (Aktenzeichen 20 VI 381/02)

 

Tenor

Die weitere Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Wertfestsetzung des LG abgeändert wird.

Die Beteiligte zu 1) hat die dem Beteiligten zu 2) im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Gegenstandswert des Verfahrens der ersten und der weiteren Beschwerde wird auf 110.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Erblasserin war verheiratet mit T., der am 2.1.2001 vorverstorben ist; die beiden Beteiligten sind die aus der Ehe hervorgegangen Kinder.

Die Ehegatten waren Miteigentümer zu 1/2 des Grundstücks U.-Str. 19 A in B., das mit einem von ihnen im Jahre 1970 errichteten und bewohnten Wohnhaus bebaut war; das benachbarte Grundstück U.-Str. 19 stand im Eigentum einer Tante der Erblasserin. Der Ehemann war darüber hinaus Eigentümer eines 8-Familien-Hauses in W.

Die Ehegatten errichteten am 8.11.1976 ein gemeinschaftliches Testament (UR-Nr. ... Notar H. in B.), in dem sie sich gegenseitig zu Vorerben und ihre beiden Kinder zu gleichen Teilen zu Nacherben für den Fall des Todes oder der Wiederverheiratung des überlebenden Ehegatten einsetzten.

Im Jahre 1985 erwarb die Beteiligte zu 1) das Grundstück U.-Str. 19, und zwar von einer Erbengemeinschaft, der u.a. die Erblasserin angehörte. Zu diesem Zweck erhielt sie von ihren Eltern einen Betrag von 150.000 DM entsprechend dem damaligen Wert dieses Grundstücks. Mit Datum vom 20.9.1985 unterzeichneten die Ehegatten und beide Kinder eine privatschriftliche Vereinbarung, in der es nach Darstellung des Erhalts des Betrages von 150.000 DM heißt:

"Beide Summen (150.000 DM) gelten als Ablösung des Hauses U.-Str. 19 A, in B., einschließlich Grundstück, aus der Erbmasse. L. hat somit im Erbfall keinen Anspruch auf das Haus U.-Str. 19 A in B., das T1 allein übernehmen soll. Die 150.000 DM ... gelten als Schuld gegen ihre Eltern ... bis der Erbfall eintritt.

Im Erbfall tragen beide, C. und T1 je die Hälfte aller entstehenden Erbkosten."

Am 8.1.1986 beurkundete Notar H. in B. zu UR-Nr. ... folgende Erklärungen der Erblasserin, ihres Ehemannes und beider Kinder:

"Die Erschienenen zu 1) und 2) sind Ehegatten, die Erschienenen zu 3) und 4) sind die einzigen vorhandenen Kinder.

Die Erschienenen zu 1) und 2) haben durch Erbvertrag eine Regelung getroffen, wonach sie sich gegenseitig beerben. Erben des Längstlebenden von ihnen sollen die Erschienenen zu 3) und 4) sein.

Die Erschienene zu 3) hat inzwischen von ihren Eltern zur Errichtung des Hauses U.-Str. 19 Geldbeträge in Höhe von insgesamt 150.000 DM erhalten. Aufgrund dieses Vorempfangs sind die Parteien darüber einig, dass nach dem Tod des Längstlebenden der Erschienenen zu 1) und 2) der Sohn T1 das Hausgrundstück U.-Str. 19a zu alleinigem Eigentum erhalten soll, und zwar so, wie alles im Zeitpunkt des Todes des Längstlebenden der Erschienenen zu 1) und 2) vorhanden ist, jedoch ausschließlich der Wohnungseinrichtung.

Ein Ausgleichsanspruch der Erschienenen zu 3) dafür, dass der Erschienene zu 4) das Hausgrundstück erhält, besteht aufgrund des Vorempfangs der 150.000 DM nicht mehr.

Sämtliches im Zeitpunkt des Überlebenden der Erschienenen zu 1) und 2) vorhandene Vermögen soll im Übrigen den Erschienenen zu 3) und 4) zu gleichen Anteilen zustehen.

Die Kosten dieser Urkunde tragen die Erschienenen zu 1) und 2) als Gesamtschuldner.

Die Erschienenen baten, diesen Erbvertrag nicht in amtliche Verwahrung zu geben, sondern beim Notar hinterlegt zu lassen."

Im Jahre 1999 kam es zu einem persönlichen Zerwürfnis zwischen dem Beteiligten zu 2) und seinen Eltern. Diese schlossen am 31.8.2000 einen weiteren Erbvertrag (UR-Nr. ... Notar H. in B.), in dem sie unter Aufhebung aller früheren letztwilligen Verfügungen sich gegenseitig zu Alleinerben und die Beteiligte zu 1) als Schlusserbin nach dem Tode des letztversterbenden Ehegatten einsetzten; der Beteiligte zu 2) sollte lediglich den Pflichtteil erhalten. In dieser Urkunde gaben die Ehegatten ihre Auffassung zum Ausdruck, der "Ergänzungsvertrag" vom 8.1.1986 habe lediglich der Feststellung des Vorempfangs der Beteiligten zu 1) dienen, jedoch keine Bindung an ihre letztwillige Verfügung begründen sollen. Weitere Einzelheiten zu den Erklärungen der Ehegatten in Bezug auf die Urkunde vom 8.1.1986 enthält ein von Notar H. am 31.8.2000 aufgenommener Aktenvermer...

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