Rz. 26

→ Dazu Aufgaben Gruppe 10

Endigt der Auftrag vorzeitig, weil z. B. der Mandant ihn zurücknimmt, so erhält der RA gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG nur eine reduzierte 0,8 Verfahrensgebühr (bzw. in den Rechtsmittelinstanzen 1,1 nach Nr. 3201 oder Nr. 3207 VV RVG bzw. 1,8 nach Nr. 3209 VV RVG).

Damit wird für diesen Fall die allgemeine Vorschrift des § 15 Abs. 4 RVG außer Kraft gesetzt, wonach es auf entstandene Gebühren ohne Einfluss bleibt, wenn sich der Auftrag vorzeitig erledigt. Der Grund für diese Ausnahmeregelung ist darin zu sehen, dass es unangemessen wäre, wenn der Auftrag so frühzeitig endet, dass der RA erfahrungsgemäß noch nicht so viel Arbeit mit der Sache hatte. Da es sich um eine pauschale Regelung handelt, tritt die Gebührenverminderung allerdings auch dann ein, wenn der RA vor einem der in Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG genannten Zeitpunkte eine sehr umfangreiche Tätigkeit entfaltet hat, was aber eher unwahrscheinlich ist.

Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Auftrag endigt. Die Verfahrensgebühr wird nur dann verringert, wenn sich der Auftrag erledigt, bevor der RA eine der folgenden Handlungen vorgenommen hat, also bevor er

die Klage eingereicht hat, oder
den ein Verfahren einleitenden Antrag eingereicht hat, oder
einen Schriftsatz, der Sachanträge, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht hat, oder
für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Die Wahrnehmung eines außergerichtlichen Termins verhindert die Ermäßigung der Verfahrensgebühr nicht.

Beachten Sie, dass die Verringerung der Verfahrensgebühr auch dann vorzunehmen ist, wenn der RA die Klage oder den Schriftsatz bereits fertiggestellt und unterschrieben, aber zu dem Zeitpunkt, zu dem der Auftrag endet, noch nicht bei Gericht eingereicht hat.

Endigt der Auftrag zu einem späteren als in Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG genannten Zeitpunkt, so bleibt die Verfahrensgebühr nach § 15 Abs. 4 RVG in voller Höhe bestehen.

 

Hinweis:

Nach eindeutiger Rechtsprechung ist die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft (§ 276 Abs. 1 S. 1 ZPO) durch den RA des Beklagten noch kein Sachantrag, sodass hierfür nur die verminderte 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG entsteht – wenn es bei diesem Schriftsatz verbleibt.

 

Rz. 27

Als Beispiel für die Anwendung von Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG sei das anwaltliche Aufforderungsschreiben mit Klageauftrag genannt. Sie erinnern sich sicherlich, dass zwei Arten von Aufforderungsschreiben zu unterscheiden sind: das Aufforderungsschreiben ohne Klageauftrag, für das eine Geschäftsgebühr erhoben wird (siehe § 4 Rdn 15 ff.), und das Aufforderungsschreiben mit Klageauftrag, das nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG abzurechnen ist.

 

Beispiel:

Der Auftraggeber Amsel bittet RA Rotschwanz, gegen den Schuldner Specht wegen einer Forderung von 10.000,00 EUR Klage zu erheben, wenn Specht nach Erhalt eines Aufforderungsschreibens nicht zahle. Hier liegt also ein Klageauftrag vor, der sich jedoch vor Erhebung der Klage erledigt, falls Specht nach Empfang des Aufforderungsschreibens zahlt. Es entsteht für RA Rotschwanz eine 0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 und Nr. 3100 VV RVG.

Gegenstandswert: 10.000,00 EUR

 
0,8

Verfahrensgebühr bei vorzeitiger Beendigung

gem. §§ 2, 13 RVG, Nrn. 3100, 3101 Ziff. 1 VV RVG
491,20 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
20,00 EUR
    511,20 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG 97,13 EUR
    608,33 EUR
 

Beispiel:

Der Auftraggeber Amsel bittet RA Rotschwanz, gegen den Schuldner Specht wegen einer Forderung von 10.000,00 EUR Klage zu erheben, wenn Specht nach Erhalt eines Aufforderungsschreibens nicht zahle. Auch hier liegt ein Klageauftrag vor, der sich jedoch vor Erhebung der Klage erledigt, falls Specht nach Empfang des Aufforderungsschreibens zahlt.

Nach Erhalt des Aufforderungsschreibens zahlt Specht 1.500,00 EUR. Wegen der restlichen 8.500,00 EUR wird die Klage eingereicht. Nach Zustellung der Klage zahlt Specht auch den Rest.

Es entsteht für RA Rotschwanz eine 0,8 Verfahrensgebühr nach dem Wert von 1.500,00 EUR und eine 1,3 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3100 VV RVG nach dem Wert von 8.500,00 EUR. Bei der Berechnung ist § 15 Abs. 3 RVG zu beachten!

Gegenstandswert: 1.500,00 EUR / 8.500,00 EUR

 
0,8

Verfahrensgebühr bei vorzeitiger Beendigung

gem. §§ 2, 13 RVG, Nrn. 3100, 3101 Ziff. 1 VV RVG

(Wert: 1.500,00 EUR)
101,60 EUR  
1,3

Verfahrensgebühr für den Prozess

gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG

(Wert: 8.500,00 EUR)
725,40 EUR  
    827,00 EUR  
 

Gemäß § 15 Abs. 3 RVG darf höchstens eine 1,3 Verfahrensgebühr nach der Wertesumme von 10.000,00 EUR

berechnet werden, das wären 798,20 EUR. Da diese Gebühr hier überschritten wird, sind als Verfahrensgebühren nur zu berechnen:
  798,20 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
  20,00 EUR
      818,20 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG   155,46 EUR
      973,66 EUR

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