Rz. 25

Die in Nr. 3100 VV RVG normierte Verfahrensgebühr wird durch Nr. 3101 VV RVG im Hinblick auf ihre Höhe ergänzt, indem der Gebührensatz in den genannten Fällen auf eine 0,8 Verfahrensgebühr vermindert wird.

In Ziffer 1 der Nr. 3101 VV RVG wird bestimmt, dass die Verfahrensgebühr auf 0,8 vermindert wird, wenn der Auftrag des RA endigt, bevor er eine genau bestimmte Handlung vorgenommen hat. Dieser Gebührentatbestand wird auch als "vorzeitige Beendigung" bezeichnet.
In Ziffer 2 der Nr. 3101 VV RVG wird die Verfahrensgebühr auf 0,8 herabgesetzt, wenn der RA den Auftrag hat, über in diesem Prozess nicht rechtshängige Ansprüche hinsichtlich einer Einigung mit zu verhandeln und/oder bei Gericht zu beantragen, eine Einigung zu gerichtlichem Protokoll zu nehmen. Diese Ansprüche können entweder (noch) nicht eingeklagt, oder in einem wegen anderer Sache laufenden Prozess anhängig sein. Die dafür entstehende Gebühr wird auch "Differenzverfahrensgebühr" genannt.
In Ziffer 3 der Nr. 3101 VV RVG wird die Verfahrensgebühr auf 0,8 reduziert, wenn in einer nicht streitigen Familiensache nur die Erteilung einer Genehmigung oder die Zustimmung des Familiengerichts beantragt wird oder in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit lediglich ein Antrag gestellt und eine Einigung entgegengenommen wird. Siehe auch das Kapitel über die Gebühren in Familiensachen (§ 11 Rdn 67 ff.).

Auf diese Gebührentatbestände wird in den nachfolgenden Kapiteln eingegangen. In Vergütungsrechnungen sollte übrigens neben der Nr. 3101 VV RVG auch die Nr. 3100 VV RVG mit zitiert werden, da in den bestimmten Fällen die Verfahrensgebühr nur vermindert wird und da in Nr. 3101 VV RVG ausdrücklich Bezug auf Nr. 3100 VV RVG genommen wird.

a) Verfahrensgebühr bei vorzeitiger Beendigung

 

Rz. 26

→ Dazu Aufgaben Gruppe 10

Endigt der Auftrag vorzeitig, weil z. B. der Mandant ihn zurücknimmt, so erhält der RA gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG nur eine reduzierte 0,8 Verfahrensgebühr (bzw. in den Rechtsmittelinstanzen 1,1 nach Nr. 3201 oder Nr. 3207 VV RVG bzw. 1,8 nach Nr. 3209 VV RVG).

Damit wird für diesen Fall die allgemeine Vorschrift des § 15 Abs. 4 RVG außer Kraft gesetzt, wonach es auf entstandene Gebühren ohne Einfluss bleibt, wenn sich der Auftrag vorzeitig erledigt. Der Grund für diese Ausnahmeregelung ist darin zu sehen, dass es unangemessen wäre, wenn der Auftrag so frühzeitig endet, dass der RA erfahrungsgemäß noch nicht so viel Arbeit mit der Sache hatte. Da es sich um eine pauschale Regelung handelt, tritt die Gebührenverminderung allerdings auch dann ein, wenn der RA vor einem der in Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG genannten Zeitpunkte eine sehr umfangreiche Tätigkeit entfaltet hat, was aber eher unwahrscheinlich ist.

Entscheidend ist der Zeitpunkt, zu dem der Auftrag endigt. Die Verfahrensgebühr wird nur dann verringert, wenn sich der Auftrag erledigt, bevor der RA eine der folgenden Handlungen vorgenommen hat, also bevor er

die Klage eingereicht hat, oder
den ein Verfahren einleitenden Antrag eingereicht hat, oder
einen Schriftsatz, der Sachanträge, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Antrags enthält, eingereicht hat, oder
für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Die Wahrnehmung eines außergerichtlichen Termins verhindert die Ermäßigung der Verfahrensgebühr nicht.

Beachten Sie, dass die Verringerung der Verfahrensgebühr auch dann vorzunehmen ist, wenn der RA die Klage oder den Schriftsatz bereits fertiggestellt und unterschrieben, aber zu dem Zeitpunkt, zu dem der Auftrag endet, noch nicht bei Gericht eingereicht hat.

Endigt der Auftrag zu einem späteren als in Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG genannten Zeitpunkt, so bleibt die Verfahrensgebühr nach § 15 Abs. 4 RVG in voller Höhe bestehen.

 

Hinweis:

Nach eindeutiger Rechtsprechung ist die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft (§ 276 Abs. 1 S. 1 ZPO) durch den RA des Beklagten noch kein Sachantrag, sodass hierfür nur die verminderte 0,8 Verfahrensgebühr nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG entsteht – wenn es bei diesem Schriftsatz verbleibt.

 

Rz. 27

Als Beispiel für die Anwendung von Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG sei das anwaltliche Aufforderungsschreiben mit Klageauftrag genannt. Sie erinnern sich sicherlich, dass zwei Arten von Aufforderungsschreiben zu unterscheiden sind: das Aufforderungsschreiben ohne Klageauftrag, für das eine Geschäftsgebühr erhoben wird (siehe § 4 Rdn 15 ff.), und das Aufforderungsschreiben mit Klageauftrag, das nach Nr. 3101 Ziff. 1 VV RVG abzurechnen ist.

 

Beispiel:

Der Auftraggeber Amsel bittet RA Rotschwanz, gegen den Schuldner Specht wegen einer Forderung von 10.000,00 EUR Klage zu erheben, wenn Specht nach Erhalt eines Aufforderungsschreibens nicht zahle. Hier liegt also ein Klageauftrag vor, der sich jedoch vor Erhebung der Klage erledigt, falls Specht nach Empfang des Aufforderungsschreibens zahlt. Es entsteht für RA Rotschwanz eine 0,8 Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3101 Ziff. 1 und Nr. 3100 VV RVG.

Gegenstandswert: 10.000,00 EUR

 
0,8

Verfahrensgebühr bei vorzeitiger Beendigung

gem. §§ 2, 13 RVG, Nrn. 310...

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