Rz. 1

Die Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung unterscheidet zwischen illegalen Drogen im Sinn des Betäubungsmittelgesetzes und Cannabis im Übrigen (das auch eine illegale Droge im Sinn des BtMG ist). Hintergrund ist, dass von der Einnahme von illegalen Drogen – ausgenommen Cannabis – (sog. "harten Drogen") aufgrund der grundsätzlich hohen Rauschwirkung und des hohen Abhängigkeitspotentials eine größere Gefahr für die Verkehrssicherheit ausgeht.

I. Verhältnis des § 24a StVG zum Fahrerlaubnisrecht

 

Rz. 2

Wer unter der Wirkung von berauschenden Mitteln und Substanzen am Straßenverkehr teilnimmt, begeht eine Ordnungswidrigkeit. In der Anlage zu § 24a StVG sind die Mittel und Substanzen aufgenommen, bei deren Nachweis die Ordnungswidrigkeit verwirklicht wird. Das sind im Wesentlichen Cannabis, Heroin, Morphin, Cocain, Amfetamin und Metamfetamin sowie die Designer-Amfetamine MDA, MDE und MDMA. Die Grenzwertkommission hat Werte empfohlen, ab deren Erreichen die Substanzen sicher nachgewiesen und bestimmt werden können. Diese Grenzwerte enthalten einen bestimmten Sicherheitszuschlag.[1] Der Verkehrsteilnehmer, bei dem die in der Anlage zu § 24a StVG aufgeführten Substanzen über dem von der Grenzwertkommission empfohlenen Grenzwert festgestellt werden, nimmt unter Wirkung von berauschenden Mitteln und Substanzen am Straßenverkehr teil. Nach einer Entscheidung des BVerfG darf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit die Verwirklichung des Ordnungswidrigkeitentatbestands erst ab Erreichen der von der Grenzwertkommission empfohlenen Grenzwerte angenommen werden.[2]

 

Rz. 3

Das Fahrerlaubnisrecht ist Gefahrenabwehrrecht und verfolgt einen anderen gedanklichen Ansatz als die Sanktion. Ziel des Fahrerlaubnisrechts ist nicht das Belegen einer in der Vergangenheit stattgefundenen Zuwiderhandlung mit einer Strafe. Zielsetzung des Fahrerlaubnisrechts als Gefahrenabwehrrecht ist das Verhindern der Verkehrsteilnahme eines die Verkehrssicherheit gefährdenden Führerscheininhabers. Es besteht daher kein Wertungswiderspruch zwischen der – jedenfalls bei erstmaliger Verwirklichung des Ordnungswidrigkeitentatbestandes des § 24a StVG – eher milden Sanktion (Geldbuße und Fahrverbot) und der u.U. existenzvernichtenden verwaltungsrechtlichen Reaktion des Entzugs der FE wegen des gleichen Sachverhalts.[3] Sanktionsrecht und Gefahrenabwehrrecht verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen:

Das bedeutet zum einen, dass die Gefährlichkeit des Betroffenen noch nicht feststehen muss. Liegen konkrete Verdachtsmomente vor, die einen Fahreignungsmangel als nahe liegend erscheinen lassen, so kommen Aufklärungsmaßnahmen in Betracht.[4]
Das bedeutet zum anderen, dass verwaltungsrechtliche Maßnahmen nicht erst dann getroffen werden dürfen, wenn auch der Tatbestand des § 24a StVG verwirklicht worden ist. Auch ohne dass der Gesetzgeber für ein Verhalten eine Sanktion vorgesehen hat, kann es eine Gefahr für die Verkehrssicherheit darstellen, die im Einzelfall sogar den Entzug der FE rechtfertigt. Daher stellt die Verkehrsteilnahme unter der Wirkung von Substanzen, die der Gesetzgeber nicht in die Anlage zu § 24a StVG aufgenommen hat, aber illegale Drogen sind, die Verwirklichung des in Nr. 9.1 der Anlage 4 zur Fahrerlaubnis-Verordnung festgelegten Tatbestands dar, was grundsätzlich zum Entzug der FE führt. Das ist etwa bei der Einnahme von psilocybinhaltigen Pilzen der Fall.[5]
Aber auch dann, wenn die von der Grenzwertkommission für § 24a StVG empfohlenen Grenzwerte nicht erreicht sind, ist – anders als oben für die Verwirklichung des Ordnungswidrigkeitentatbestands – die Annahme einer Gefährlichkeit mit entsprechendem Einschreiten der Verwaltung unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr gerechtfertigt. Konkret bedeutet das, dass eine Einnahme von illegalen Drogen im Sinn von Nr. 9.1 der Anlage 4 ("harte Drogen") zur Fahrerlaubnis-Verordnung auch dann anzunehmen ist, wenn der Substanznachweis die von der Grenzwertkommission empfohlenen Grenzwerte nicht erreicht.[6]
[1] Abdruck der Empfehlung in BA 2007, 311 – unter Berücksichtigung der zum 15.6.2007 in Kraft getretenen Änderung der Anlage zu § 24a StVG.
[2] BVerfG v. 21.12.2005 NJW 2005, 349.
[3] So ausdrücklich VGH BW v. 12.9.2005, zfs 2006, 175; kritisch: Dencker, VGT 2006, 17/19 f.
[5] Psilocybin ist in Anlage 1 zu § 1 Abs. 1 BtmG aufgenommen; vgl. VG Braunschweig v. 26.4.1999, 6 B 90/99; NdsOVG v. 6.10.2003, 12 ME 401/03.
[6] OVG Bbg v. 10.6.2009, BA 2009, 357; BayVGH v. 4.10.2010, 11 ZB 09.2973.

II. Unmittelbare Folge der Fahrungeeignetheit bei Drogenkonsum im Unterschied zu Alkoholkonsum

 

Rz. 4

Wer die in Nr. 9 der Anlage 4 zur FeV umschriebenen Merkmale verwirklicht, ist in der Regel ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen (sog. "Regelfallannahme" – siehe hierzu Rdn 23 ff.). Diese (strenge) Regelfallannahme beim Konsum von illegalen Drogen ist wegen der Unterschiede gegenüber Alkoholkonsum gerechtfertigt, bei dem es grundsätzlich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung bedarf, um die Ungeeignetheit festzustellen:[7] Denn bei der Einnahme von illega...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge