Rz. 67

Eine Person, die einen Aufenthaltstitel nicht oder nicht mehr besitzt, soweit ein solcher Aufenthaltstitel erforderlich ist, ist gem. § 50 Abs. 1 AufenthG zur Ausreise verpflichtet. In diesem Fall besteht eine Verpflichtung, das Bundesgebiet unverzüglich bzw. innerhalb einer durch die zuständige Behörde gesetzten Ausreisefrist zu verlassen. Ergibt sich die Ausreisepflicht aus einem Verwaltungsakt, mit dem zugleich ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgelehnt oder ein rechtmäßiger Aufenthalt beendet wird, wird eine Abschiebungsandrohung gem. § 59 Abs. 1 AufenthG erlassen.

 

Rz. 68

Wann ein zunächst rechtmäßiger Aufenthalt beendet wird, ergibt sich aus § 51 AufenthG. Unter anderem ist dies der Fall, wenn die Geltungsdauer des Titels abgelaufen ist (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 1 AufenthG), wenn der Aufenthaltstitel zurückgenommen oder widerrufen wurde (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 3, 4 AufenthG), wenn eine Ausweisung erlassen wurde (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 5 AufenthG) und wenn eine Person ausgereist und nicht innerhalb von sechs Monaten oder einer von der Ausländerbehörde bestimmten längeren Frist wieder eingereist ist (§ 51 Abs. 1 Hs. 1 Nr. 7 AufenthG). Der Widerruf eines Aufenthaltstitels ist spezialgesetzlich in § 52 AufenthG geregelt, wohingegen für eine Rücknahme – im Fall einer originär rechtswidrigen Erteilung – auf die Rücknahme nach den landesgesetzlichen Verwaltungsverfahrensgesetzen, in der Regel also § 48 LVwVfG, abzustellen ist.

 

Rz. 69

Die Ausweisung, die demnach zur Beendigung des rechtmäßigen Aufenthalts führt, ist nicht mit der Beendigung des Aufenthalts als solchem und nicht mit einer Abschiebung zu verwechseln. Es handelt sich vielmehr um einen eigenständigen und belastenden Verwaltungsakt nach den Maßgaben der §§ 53 ff. AufenthG, der verfügt, dass der Adressat das Bundesgebiet verlassen soll, was sodann mit einer Abschiebung (§ 58 AufenthG) zwangsweise durchgesetzt werden kann. Das Ausweisungsrecht wurde 2015 grundlegend neugestaltet:[27] Während nach dem alten System mehrere Ausweisungstatbestände explizit geregelt waren, sieht die neue Rechtslage eine Abwägung zwischen sog. Ausweisungsinteressen auf der einen Seite (§ 54 AufenthG) und sog. Bleibeinteressen auf der anderen Seite (§ 55 AufenthG) vor. Wenngleich es sich mit Blick auf die Ausweisungsinteressen, die an Straftaten und anderweitige vorgeblich gefährdende Handlungen anknüpfen, um Gefahrenabwehrrecht handelt, das künftige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern will, können nach der Rechtsprechung des BVerwG[28] auch generalpräventive Erwägungen einbezogen werden – allerdings nur im Rahmen einer sorgfältigen Prüfung[29] und nicht als einzige Grundlage für eine Ausweisung.[30]

 

Rz. 70

Eine Abschiebung als Durchsetzung der Ausreisepflicht kann gem. § 60a ff. AufenthG ausgesetzt werden. Eine solche Aussetzung, die gem. § 60a Abs. 4 AufenthG als Duldung bescheinigt wird, kann sich unter anderem ergeben aus einem Abschiebungsstopp für bestimmte Staaten und daneben individuell aus sog. zielstaatsbezogenen Abschiebungsverboten (etwa bei einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK), aus inlandsbezogenen Abschiebungshindernissen (etwa aus gesundheitlichen Gründen bei fehlender Reisefähigkeit oder aus familiären Gründen) oder im Fall von tatsächlichen Abschiebungshindernissen, wozu in der Praxis insbesondere das Fehlen von Reisedokumenten zählt.

[27] Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015, BGBl I 2015, 1386.
[28] BVerwG NVwZ 2012, 1558.
[30] VGH Mannheim v. 19.4.2017 – 11 S 1967/16, juris.

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