Rz. 1

Das Aufenthaltsrecht ist ein Teilgebiet des besonderen Verwaltungsrechts und wird – ausweislich seines historischen Ursprungs im Polizeirecht – gemeinhin als Gefahrenabwehrrecht klassifiziert. Tatsächlich dient das Aufenthaltsrecht nicht (allein) der Gefahrenabwehr im Sinne eines Schutzes der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern stellt sich kraft seiner Anknüpfung an menschenrechtliche Vorgaben und an familienbezogene Rechte sowie aufgrund integrationsfördernder Vorschriften als Rechtsgebiet sui generis dar, was eine solch formale Kategorisierung unmöglich macht. Die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen des Aufenthaltsrechts sind im Aufenthaltsgesetz geregelt.

 

Rz. 2

Das Aufenthaltsrecht ist in seinem persönlichen Anwendungsbereich insofern ein Sonderrecht, als dass es unmittelbar allein die Personen adressiert, die keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (§ 2 Abs. 1 AufenthG). Im Aufenthaltsgesetz sind, wie in § 1 Abs. 1 S. 4 AufenthG zusammengefasst, die Einreise, der Aufenthalt sowie die Möglichkeiten der Erwerbstätigkeit von Personen und integrationsfördernde Maßnahmen geregelt. Gestützt auf entsprechende Verordnungsermächtigungen in § 99 AufenthG sind u.a. die Aufenthaltsverordnung, die Beschäftigungsverordnung und die Integrationskursverordnung erlassen worden, die ergänzend heranzuziehen sind. Ein abgegrenzter Teilbereich des Aufenthaltsrechts befindet sich im Asylgesetz, in dem das Verfahren nach Stellung eines Antrags auf Asyl oder internationalen Schutz (§ 1 Abs. 1 AsylG) geregelt ist (siehe dazu das Kapitel "Asylrecht" in diesem Buch).

 

Rz. 3

Das Recht eines Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, ist als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt konzipiert. Die Erlaubnis speist sich grundsätzlich aus einem Aufenthaltstitel: Nach § 4 Abs. 1 AufenthG bedürfen "Ausländer […] für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels", sofern sich nicht aus Sonderregelungen – u.a. aus Unionsrecht und dem Assoziationsrecht mit der Türkei – ein Aufenthaltsrecht ergibt.

Aufenthaltstitel in diesem Sinne sind gem. § 4 Abs. 1 S. 2 AufenthG insbesondere das Visum, die Aufenthaltserlaubnis und die Niederlassungserlaubnis.[1] Während das Visum ein Aufenthaltsrecht aus dem Ausland im Wege eines Antrags gegenüber einer deutschen Botschaft ermöglicht, ist die Aufenthaltserlaubnis ein befristetes Aufenthaltsrecht nach Antragstellung im Inland und die Niederlassungserlaubnis ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, die unter bestimmten Voraussetzungen im Anschluss an ein befristetes Aufenthaltsrecht erteilt werden kann. Kein Aufenthaltsrecht im engeren Sinne begründet die Duldung gem. § 60a ff. AufenthG, die in Form einer Bescheinigung dann erteilt wird, wenn eine Ausreisepflicht (§ 50 AufenthG) besteht, eine Abschiebung aber – aus menschen- oder grundrechtlichen, gesundheitlichen oder administrativen Gründen – nicht vollzogen werden kann. Ebenfalls kein Aufenthaltstitel, sondern eine Befreiung der Erforderlichkeit von diesem ist die Aufenthaltsgestattung, die während des Asylverfahrens ausgestellt wird (§§ 55, 63 AsylG).

 

Rz. 4

Ein Aufenthaltsrecht muss an einen bestimmten im Gesetz geregelten Zweck angeknüpft werden. Das Aufenthaltsgesetz knüpft hierbei im Wesentlichen – neben weiteren besonderen Aufenthaltsrechten in den §§ 37 ff. AufenthG – an drei Zweckbereiche an:

Aufenthalt zum Zweck der Ausbildung und Erwerbstätigkeit (§§ 16 ff. AufenthG),
Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (§ 22 ff. AufenthG) und
Aufenthalt aus familiären Gründen (§§ 27 ff. AufenthG).
 

Rz. 5

Bei der Prüfung, ob ein Anspruch auf die Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht, muss zwischen den allgemeinen und den besonderen Erteilungsvoraussetzungen unterschieden werden. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen ergeben sich aus den jeweiligen spezifischen, an den Zweck geknüpften Anspruchsgrundlagen. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind in den §§ 5, 10, 11 AufenthG geregelt und müssen grundsätzlich bei jedem Aufenthaltstitel berücksichtigt werden.

Eine zentrale allgemeine Erteilungsvoraussetzung ist die Sicherung des Lebensunterhalts, die grundsätzlich für die Erteilung und Verlängerung jedes Aufenthaltstitels nachgewiesen werden muss. Von der Sicherung des Lebensunterhalts wird, wie auch von anderen allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen, nur in Ausnahmefällen abgesehen, u.a. bei Aufenthaltstiteln aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (vgl. § 5 Abs. 2 AufenthG). Die Sicherung des Lebensunterhalts ist legaldefiniert in § 2 Abs. 3 AufenthG, wobei eine zweistufige Prüfung vorzunehmen ist: Im ersten Schritt ist der Bedarf nach SGB II/SGB XII zu ermitteln, im zweiten Schritt muss eruiert werden, ob dieser Bedarf prognostisch durch das Einkommen der betreffenden Person gewährleistet ist.

 

Rz. 6

Das Aufenthaltsrecht ist maßgeblich von völker- und unionsrechtlichen Vorgaben geprägt. Von Bedeutung ist hierbei – für den Bereich des hum...

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