1. Achtung: Schweigepflicht

 

Rz. 22

Der behandelnde Arzt unterliegt der Schweigepflicht. Die Verwaltungsbehörde kann nicht verlangen, dass der Betroffene den behandelnden Arzt von der Schweigepflicht entbindet (OVG Weimar DAR 1995, 80).

Unsicherheit besteht aber bezüglich der Frage, ob der Arzt in bestimmten Fällen seine Schweigepflicht brechen darf oder gar muss.

Grundsätzlich ist der Arzt nicht verpflichtet, seine Schweigepflicht zu brechen, um Gefahren von Dritten abzuwenden, denn mit deren Schutzanspruch konkurriert das ebenso hoch anzusiedelnde Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patienten, ohne dass eine geordnete Gesundheitspflege nicht möglich wäre. Nur in extremen Ausnahmefällen, so, wenn ein Schaden für Dritte praktisch mit den Händen zu greifen ist (OLG Frankfurt, Entscheidung v. 7.9.1999 – 8 U 67/99), kann der Arzt zum Handeln verpflichtet sein.

 

Rz. 23

Eine andere Frage ist, ob der Arzt zur Gefahrenabwehr Informationen an Dritte, wie die Verwaltungsbehörde oder Angehörige, weitergeben darf. Dies ist erst zulässig, wenn der Arzt alles ihm Zumutbare getan hat, um seinen Patienten zur Vernunft zu bringen. Gelingt ihm dies nicht, darf er zur Abwendung von Gefahren für die Allgemeinheit seine Schweigepflicht brechen. Außerdem muss es sich um Tatsachen handeln, die für die Verkehrssicherheit von erheblichem Gewicht sind.[6]

Jedenfalls stellen allgemeine Mitteilungen eines Hausarztes, der Betroffene leide unter verschiedenen Erkrankungen keine zu Eignungszweifel berechtigende Tatsachen im Sinne des § 11 Abs. 2 S. 1 FeV dar (VGH München DAR 2018, 708).

[6] Zu den Einzelheiten Schlund, DAR 1995, 50; Riemenschneider/Paetzold, NJW 1997, 2420; BVerwG NJW 1988, 1863; Gehrmann, NZV 2005, 1 ff.; AK V des VGT 2005.

2. Krankheiten

a) Allgemeines

 

Rz. 24

In der Anlage 4 zu §§ 11, 13, 14 FeV und der Anlage 5 sind die am häufigsten vorkommenden Erkrankungen, die regelmäßig zu Bedenken Anlass geben, aufgelistet. Die dortige Aufzählung ist allerdings nicht abschließend, so dass nach wie vor die Begutachtungsrichtlinien[7] des gemeinsamen Beirates der Verkehrsmedizin und Verkehrspsychologie bei den Bundesministerien für Bau und Verkehr sowie Gesundheit heranzuziehen sind.[8]

Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung eines Fahrerlaubnis-Inhabers sind durch die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens abzuklären. Es liegt nicht im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde, stattdessen eine Fahrprobe als ausreichend zu erachten (OVG des Saarlandes zfs 2014, 657), wobei eine solche Anordnung ebenfalls eingehend begründet werden muss (OVG des Saarlandes zfs 2016, 479).

[7] Begutachtungs-Leitlinien zur Fahreignung, 2. Aufl. Schriftenreihe der BAST Heft 115 M.
[8] Zu Einzelheiten siehe Gehrmann, NZV 2000, 445.

b) Einzelfälle

 

Rz. 25

Mangeldurchblutung des Gehirns (Schleswig-Holstein OVG zfs 1994, 152) begründet ebenso Eignungszweifel wie psychische Störungen (VGH Bad.-Württ. zfs 1994, 351), Epilepsie (OVG des Saarlandes zfs 1995, 157) oder Schizophrenie (BayVGH zfs 2010, 594). Nach Auffassung des OVG Stade (zfs 2003, 574) gibt sogar eine krankhafte Magersucht Anlass zu Eignungszweifeln; ebenso ein Verkehrsunfall, der durch einen Kreislaufzusammenbruch mit einer plötzlichen Bewusstseinsstörung verursacht wurde. Ein solcher Vorfall bedarf der Aufklärung durch ein amtsärztliches Gutachten (§ 11 Abs. 2 S. 1 und 2 FeV).

Nach einem einmaligen Krampfanfall bestehen dagegen keine Eignungszweifel, eine zweijährige anfallsfreie Zeit wird nur bei epileptischen Anfällen gefordert (OVG Münster NZV 1995, 412). Zu Eignungszweifeln bei Psychosen siehe OVG des Saarlandes zfs 2002, 309.

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