Rz. 42

 

Achtung: Verletzung der Belehrungspflicht oder des Richtervorbehalts

Die unter Verletzung der Belehrungspflicht gewonnenen Angaben des Betroffenen dürfen, im Gegensatz zum Strafverfahren, im verwaltungsrechtlichen Entziehungsverfahren verwertet werden (Nds. OVG zfs 2001, 44).

Das gilt gleichermaßen für eine Blutprobe, die unter Verstoß gegen den Richtervorbehalt des § 81a Abs. 2 StPO entnommen wurde (Nds. OVG zfs 2011, 448; VGH Bad.-Württ. NJW 2012, 2744; OVG des Saarlandes zfs 2019, 118).

 

Rz. 43

Der Führerscheininhaber braucht seine Eignung nicht zu beweisen, Maßnahmen gegen ihn sind deshalb nur zulässig, wenn die Verwaltungsbehörde einen durch Tatsachen belegten Anfangsverdacht hat.

 

Rz. 44

Zwar hat die Verwaltungsbehörde den aus der Verfassung ableitbaren Auftrag, die Allgemeinheit vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben zu schützen, dennoch kann selbst angesichts der Tatsache, dass es für sie schwer ist, verdachtsauslösende Momente zu entdecken, auf das Erfordernis eines hinreichenden Verdachts fehlender Eignung nicht verzichtet werden (VG Oldenburg zfs 2008, 597). Der Schutzanspruch der Allgemeinheit steht nämlich im Spannungsfeld mit dem ebenfalls grundrechtlich abgesicherten Interesse des Betroffenen, von für ihn mit erheblichen Belastungen verbundenen Gefahrerforschungseingriffen verschont zu bleiben (BVerfG zfs 2002, 454).

 

Rz. 45

 

Tipp: Bloßer Verdacht reicht nicht

Ein bloßer, nicht durch Tatsachen belegter Verdacht reicht nicht aus Eignungszweifel zu begründen, schon gar nicht für die Anordnung einer MPU. Die Untersuchung darf nämlich nicht "ins Blaue hinein" angeordnet werden (OVG Rheinland-Pfalz zfs 2003, 69).

Gerade im Hinblick darauf, dass die Gutachtensanordnung nicht selbstständig anfechtbar ist und wegen der einschneidenden Folgen einer unberechtigten Gutachtensverweigerung sind vielmehr an die Anlassbezogenheit und die Verhältnismäßigkeit strenge Anforderungen zu stellen.

 

Rz. 46

 

Achtung: Achtungspflicht des § 3 Abs. 3, 4 StVG

Die Pflicht, die strafrichterliche Entscheidung zu respektieren (§ 3 Abs. 3 StVG), verbietet es der Führerscheinbehörde einen vom Richter bereits gewürdigten Sachverhalt im Verwaltungsverfahren abweichend hiervon zu beurteilen (siehe hierzu § 57 Rdn 36).

Die Achtungspflicht besteht ab der Einleitung des Strafverfahrens bis zu dessen förmlichem Abschluss und bezieht sich auf strafrechtliche Untersuchungen, die ihrer Art nach die Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechtfertigen vermögen. Sie bindet die Behörde auch soweit es sich um lediglich vorbereitende Aufklärungsmaßnahmen wie die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens handelt (VGH Bad.-Württ. DAR 2014, 413). Eine Bindung besteht allerdings nur, soweit der im Strafurteil festgestellte Sachverhalt oder die dortige Eignungsbeurteilung betroffen ist (OVG Münster NZV 2014, 553).

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