Rz. 5

Die gesetzlichen Grundlagen des Insolvenzgeldanspruchs finden sich sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene.

1. Europarechtliche Vorgaben

 

Rz. 6

Europarechtliche Vorgaben für den Anspruch und Bezug von Insolvenzgeld ergeben sich aus der Richtlinie 2008/94/EG (im Folgenden: Arbeitnehmerschutz-RL), die den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers regelt (vgl. noch zur Vorgängerrichtlinie 80/987/EWG bzw. die diese ändernde Richtlinie 2002/74/EG:; Gagel/Banafsche, § 183 SGB III Rn 4). Hingegen enthält die EuInsVO keine – insb. weder in Art. 4 noch in Art. 10 EuInsVO – Regelungen betreffend den Anspruch auf Insolvenzgeld (MK-InsO/Reinhart, EuInsVO, Art. 10 Rn 11; Göpfert/Müller, NZA 2009, 1057, 1062). Die in der EuInsVO zu findenden Sonderanknüpfungen erfassen nicht den (sozialversicherungsrechtlichen) Anspruch auf Insolvenzgeld (MK-InsO/Reinhart, EuInsVO, Art. 10 Rn 11). Dieser unterfällt vielmehr exklusiv dem Anwendungsbereich der Arbeitnehmerschutz-RL.

 

Rz. 7

Aus Art. 3 Abs. 1 Arbeitnehmerschutz-RL folgt für die Mitgliedstaaten der EU die Pflicht zur Schaffung von sog. Garantieeinrichtungen, welche die Befriedigung nicht erfüllter Ansprüche von Arbeitnehmern aus Arbeitsverträgen oder Arbeitsverhältnissen ggü. ihren zahlungsunfähigen Arbeitgebern sicherstellen. Die Regelung des Art. 4 Abs. 2 S. 2 der Arbeitnehmerschutz-RL bestimmt grds. einen dreimonatigen Mindestzeitraum für die Zahlungspflicht der Garantieeinrichtungen. Nach Art. 3 Abs. 2 Arbeitnehmerschutz-RL kann der Zeitraum für die Zahlung unerfüllter Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor/oder nach einem von den Mitgliedstaaten festgelegten Zeitpunkt (insoweit wird regelmäßig eine prozessuale bzw. verfahrensrechtliche Anknüpfung gewählt) liegen.

 

Rz. 8

Wann ein die Leistung der Garantieeinrichtung auslösendes Ereignis vorliegt, regelt Art. 2 Abs. 1 Arbeitnehmerschutz-RL. Danach gilt ein Arbeitgeber i.S.d. Richtlinie als zahlungsunfähig, wenn nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates auf einen entsprechenden Antrag hin die Eröffnung eines Gesamt(vollstreckungs)verfahrens beschlossen und ein Verwalter bestellt worden ist oder aber durch die zuständige Behörde festgestellt wird, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und dass die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen.

 

Rz. 9

Sofern ein Unternehmen im Hoheitsgebiet mindestens zweier Mitgliedstaaten tätig ist, ist gem. der Kollisionsnorm des Art. 9 Abs. 1 der Arbeitnehmerschutz-RL die Garantieeinrichtung desjenigen Mitgliedstaats zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die betreffenden Arbeitnehmer ihre Arbeit gewöhnlich verrichten oder verrichtet haben. Gem. Art. 9 Abs. 2 der Arbeitnehmerschutz-RL bestimmt sich der Umfang der Rechte der Arbeitnehmer nach dem für die zuständige Garantieeinrichtung geltenden Recht.

 

Rz. 10

Durch die Ausgestaltung als Richtlinie auf europäischer Ebene sind die Ziele dieses europäischen Rechtssetzungsakts für jeden adressierten Mitgliedstaat verbindlich, lediglich in der Wahl von Form und Mittel sind die innerstaatlichen Stellen frei, vgl. Art. 288 Abs. 3 S. 1 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der EU, AEUV; die Norm entspricht dem früheren Art. 249 Abs. 3 EGV).

2. Nationale Regelung (§§ 165 ff. SGB III)

 

Rz. 11

In Deutschland erfolgte die Umsetzung in innerstaatliches Recht bis 1998 durch das in den §§ 141a ff. AFG geregelte Konkursausfallgeld. Mit Inkrafttreten der InsO ist das Konkursausfallgeld durch das bis zum 31.3.2012 in §§ 183 ff. SGB und seit dem 1.4.2012 in §§ 165 ff. SGB III geregelte Insolvenzgeld ersetzt worden (§§ 183 ff. SGB III a.F. bzw. §§ 165 ff. SBG III n.F. lösten zum 1.1.1999 und damit zeitgleich mit Inkrafttreten der InsO die früheren §§ 141a ff. AFG ab, Gagel/Peters-Lange, § 183 SGB III Rn 5 f.; Lakies, NZA 2000, 565). Die durch Art. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011 erfolgte Neuordnung der Insolvenzgeldvorschriften im SGB III beinhaltet keine inhaltliche Veränderung der Regelungen zum Insolvenzgeld. Neben der neuen Stellung im Gesetz (§§ 165 bis 172 SGB III) wurden die Vorschriften lediglich zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern angepasst und sprachlich überarbeitet. Inhaltlich knüpfen die Normen unverändert an die bisherige Rechtslage an (Lakies, ArbRAktuell 2012, 134).

 

Rz. 12

Das Insolvenzgeld stellt eine Entgeltersatzleistung (s. § 19 Abs. 1 Nr. 5 SGB I sowie § 116 Nr. 5 SGB III) der BA dar, die aus den Mitteln der arbeitgeberseitig finanzierten Insolvenzgeldumlage (§§ 358–362 SGB III; seit dem 1.1.2021 0,12 % des Arbeitsentgeltes, nach dem die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung zu bemessen sind oder zu bemessen wären) an Arbeitnehmer gezahlt wird, die wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers kein Arbeitsentgelt erhalten. Es ist steuerfrei gem. § 3 Nr. 2 EStG und wird begrenzt durch die Beitragsbemessungsgrenze i.H.d. Nettoarbeitsentgeltes gezahlt, § 185 SGB III, (ErfK/Müller-Glöge, InsO Einführung Rn 52).

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