A. Arbeitsrechtliche Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters

 

Rz. 1

Nach Stellung eines Antrages auf Verfahrenseröffnung kann das Insolvenzgericht Sicherungsmaßnahmen anordnen. Dazu gehören unter anderem insb. die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters, Verfügungsbeschränkungen über das Vermögen, eine Postsperre und die Einstellung der Zwangsvollstreckung, §§ 21, 22 InsO. Bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters hängt seine Rechtsstellung davon ab, ob das Insolvenzgericht dem Schuldner parallel zur Bestellung des vorläufigen Verwalters ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, § 22 Abs. 1 InsO, oder aber die Befugnisse des vorläufigen Verwalters im Einzelnen nach § 22 Abs. 2 InsO bestimmt und anordnet, dass Verfügungen des Schuldners nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind, § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO. Geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis durch die Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots für den Schuldner auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über, wird er als "starker vorläufiger Verwalter" bezeichnet. Fehlt es dagegen bei Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters an der Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbots nach § 22 Abs. 1 InsO, handelt es sich um einen sog. "schwachen vorläufigen Verwalter".

 

Rz. 2

Der starke vorläufige Verwalter hat die Aufgabe, das Vermögen des Schuldners zu sichern und zu erhalten, den Betrieb vorerst fortzuführen und zu prüfen, ob das Insolvenzverfahren durchgeführt werden kann (Zwanziger, Einf. Rn 85). Arbeitsrechtlich ohne Relevanz ist dagegen die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters allein als Gutachter, weil eine solche Anordnung die Befugnis und die Stellung des Schuldners (Arbeitgebers) nicht einschränkt (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 61).

I. Arbeitgeberfunktion bei Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots

 

Rz. 3

Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt und dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 InsO), dann geht zu diesem frühen Zeitpunkt gem. § 22 Abs. 1 S. 1 InsO die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über ("gesetzliche Kompetenzzuweisung" – s. zum Ausdruck Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12). Dass zugleich auch die Arbeitgeberfunktion auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (so schon Smid, WM 1995, 785, 788; Berscheid, ZInsO 1999, 700; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl, § 102 Rn 22; HK/Kirchhof, § 22 InsO Rn 22), erhellt ein Vergleich des Wortlautes des § 6 KO a.F., wo der Übergang der Arbeitgeberfunktion unbestritten war (grundlegend BAG v. 17.9.1974 – 1 AZR 16/74, KTS 1975, 132 = NJW 1975, 182), mit dem Wortlaut der §§ 22 Abs. 1 S. 1, 80 Abs. 1 InsO (Berscheid, S. 151 Rn 492). Durch die Verbindung der vorläufigen Insolvenzverwaltung mit dem Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbotes wird der vorläufige Insolvenzverwalter dem (endgültigen) Insolvenzverwalter und der Schuldner dem Insolvenzschuldner praktisch gleichgestellt (Berscheid, ZInsO 1998, 9, 10; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 62). Dies gilt insb. für die Kündigungsberechtigung, die auf den sog. "starken" vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht, sodass eine Kündigung durch den Arbeitgeber (Schuldner) nicht nur relativ, sondern absolut unwirksam wäre (Berscheid, ZIP 1997, 1569, 1574). Bildlich gesehen kann man beim starken vorläufigen Insolvenzverwalter vom "Quasi-Arbeitgeber" sprechen (Bichlmeier/Wroblewski, Insolvenzhandbuch, S. 188, 189).

 

Rz. 4

Die Gleichstellung von vorläufigem und endgültigem Insolvenzverwalter erfolgt in den Fällen des § 22 Abs. 1 InsO zwar nicht auf der ganzen Linie, aber in wesentlichen Bereichen sowohl außerprozessual als auch in gerichtlichen Verfahren (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 63). Die Bestellung eines sog. "starken" vorläufigen Insolvenzverwalters mit allgemeinem Verfügungsverbot, also mit "gesetzlicher Kompetenzzuweisung" (dazu Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12), hat folgende Wirkungen (Berscheid, S. 153 Rn 497; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 63):

anhängige Rechtsstreite werden unterbrochen (§ 240 S. 2 ZPO);
sie können nur nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften aufgenommen werden (§ 240 S. 1 ZPO i.V.m. §§ 24 Abs. 2, 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO);
das Rubrum ist auf den vorläufigen Insolvenzverwalter umzustellen;
neue Rechtsstreitigkeiten, insb. Kündigungsschutzprozesse, sind direkt gegen den vorläufigen Insolvenzverwalter zu richten.
 

Rz. 5

Wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners nach dem Inhalt des Bestellungsbeschlusses auf einen vorläufigen (starken) Insolvenzverwalter übergeht, wird der vorläufige Insolvenzverwalter Prozesspartei; ob man seine Rechtsstellung nach der Amtstheorie oder Vertretertheorie oder Repräsentationstheorie oder Organtheorie bestimmen will, ist dabei in diesem Punkte ohne Bedeutung (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 63).

II. Bestellungsbeschluss ohne allgemeines Verfügungsverbot

 

Rz. 6

Bei Anordnung eines lediglich allgemeinen Zustimmungsvorbehaltes (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO) bestimmt das Insolvenzgericht die Pflichten des "schwache...

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