Rz. 6

Bei Anordnung eines lediglich allgemeinen Zustimmungsvorbehaltes (§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO) bestimmt das Insolvenzgericht die Pflichten des "schwachen vorläufigen Insolvenzverwalters" im Einzelnen ("gerichtliche Kompetenzzuweisung" – s. zum Ausdruck Uhlenbruck, in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 337 Rn 12); sie dürfen jedoch nicht über die Pflichten nach § 22 Abs. 1 S. 2 InsO hinausgehen (§ 22 Abs. 2 InsO). Der vorläufige Insolvenzverwalter ist in diesen Fällen nicht allgemeiner Vertreter des Schuldners, sondern hat (nur) die Aufgabe, durch Überwachung des Schuldners dessen Vermögen zu sichern und zu erhalten. Anordnungen mit Zustimmungsvorbehalt bieten sich namentlich in Fällen an, in denen der Schuldner von der nur ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch macht und seinen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens auf den mit der Insolvenzrechtsreform eingeführten Insolvenzgrund der "drohenden Zahlungsunfähigkeit" (§ 18 Abs. 2 InsO) stützt (Berscheid, ZInsO 1998, 9, 11; ders., NZI 1999, 6, 7; Uhlenbruck/Vallender, § 22 InsO Rn 16). Wird ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt, ohne dass dem Schuldner ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt wird, verbleibt nämlich die Arbeitgeberfunktion (Arbeitgeberstellung) i.d.R. beim Schuldner (Berscheid, ZInsO 1998, 9, 11; ders., BuW 1998, 913, 915; Bertram, NZI 2001, 625; Bichlmeier/Wroblewski, Insolvenzhandbuch, S. 191; Gottwald/Haas/Bertram/Künzl, § 102 Rn 20; Uhlenbruck. in: Kölner Schrift zur InsO, S. 325, 342 Rn 15; Weisemann, DZWIR 1999, 397, 398). Allerdings kann das Insolvenzgericht auch dem schwachen vorläufigen Insolvenzverwalter durch Beschluss einzelne Arbeitgeberfunktionen zuweisen (Gottwald/Haas/Vuia, § 14 Rn 114) und ihn insbesondere mit Kündigungsbefugnis ausstatten.

 

Rz. 7

Da die InsO durch Anordnungen mit und ohne Verfügungsverbot zwar inhaltlich, aber nicht in Bezug auf die Bezeichnung, zwischen der Bestellung mit und ohne Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit korrespondierend mit und ohne Übergang der Arbeitgeberfunktion unterscheidet, sondern den Sachwalter in beiden Fällen "vorläufigen Insolvenzverwalter" nennt, ist es zur Vermeidung von Auslegungsschwierigkeiten geboten, dass die Insolvenzgerichte gerade bei Bestellungsbeschlüssen mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) selbst klarstellen, ob die Kündigungsbefugnis beim Schuldner verbleibt oder auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (s. zur Problematik näher Berscheid, ZInsO 1998, 9, 12; ders., BuW 1998, 913, 916; ders., in: FS Hanau, S. 701, 727; Förster, ZInsO 1998, 45, 48). Sicherheit und Transparenz des Rechtsverkehrs erfordern, dass die Beschlüsse bereits aus sich heraus hinreichend auslegungsfähig sind (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 67).

 

Rz. 8

Die Bestellung eines "schwachen" vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis, also einem solchen mit gerichtlicher Kompetenzzuweisung gem. § 22 Abs. 2 InsO, hat folgende Wirkungen (Berscheid, S. 156 Rn 505; Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 65):

der Schuldner behält weiterhin die Arbeitgeberfunktionen, auch wenn er zur Neueinstellung von Arbeitnehmern die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters braucht;
der Schuldner kann weiterhin Kündigungen aussprechen, solange die Befugnis dazu nicht dem vorläufigen Insolvenzverwalter übertragen wird;
der Schuldner kann Kündigungen nicht widersprechen, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Kündigungen kraft der ihm übertragenen Befugnis ausgesprochen hat;
der Schuldner bleibt weiterhin Prozesspartei der anhängigen Verfahren;
der Schuldner ist zu verklagen, auch wenn der vorläufige Insolvenzverwalter die Kündigungen kraft der ihm übertragenen Befugnis ausgesprochen hat.
 

Rz. 9

Ein anhängiger Rechtsstreit wird durch die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für das Vermögen einer Partei dann nicht gem. § 240 S. 2 ZPO unterbrochen, wenn dem Schuldner kein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt, sondern nur ein (allgemeiner) Zustimmungsvorbehalt i.S.v. § 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt. InsO angeordnet wird und deshalb die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen nicht gem. § 22 Abs. 1 S. 1 InsO auf den vorläufigen Insolvenzverwalter übergeht (BGH v. 21.6.1999, InVo 1999, 343 = KTS 1999, 494 = NZI 1999, 363 = ZInsO 1999, 472 = ZIP 1999, 1314; BAG v. 25.4.2001 – 5 AZR 360/99, ArbRB 2001, 70 m. Anm. Berscheid = BAGReport 2001, 65 = ZInsO 2001, 1024). Dies gilt für arbeitsgerichtliche Zahlungsprozesse selbst dann, wenn die Arbeitnehmer nach der kurzzeitig später erfolgenden Verfahrenseröffnung ihre vorinsolvenzlichen Forderungen zunächst nach § 174 InsO beim endgültigen Insolvenzverwalter als Insolvenzforderungen i.S.d. §§ 38, 108 Abs. 2 InsO anmelden müssen und der Arbeitsgerichtsprozess dann nach § 240 S. 1 ZPO unterbrochen ist (Uhlenbruck/Zobel, § 22 InsO Rn 66).

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