Rz. 5

Während nach § 61 VVG a.F. Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit gleichermaßen zur völligen Leistungsfreiheit des Versicherers führten, ist der Versicherer nach § 81 Abs. 2 VVG bei grober Fahrlässigkeit berechtigt, "seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen". Da es sich bei der groben Fahrlässigkeit um einen subjektiven Risikoausschluss handelt, trägt der Versicherer die Beweislast für die Schwere der Schuld und für den Umfang der Leistungskürzung.[1] Es ist davon auszugehen, dass die Versicherer im Regelfall die Hälfte der Entschädigungsleistung erbringen, es sind aber auch Kürzungen bis auf Null ebenso denkbar wie eine vollständige Schadenregulierung, wenn die grobe Fahrlässigkeit sich im Randbereich der einfachen Fahrlässigkeit bewegt.

Einige Versicherer verzichten auf den Einwand der groben Fahrlässigkeit, außer bei Trunkenheit und Schlüsselverlust.

 

Rz. 6

§ 81 Abs. 2 VVG entspricht der Regelung in der Schweiz (Art. 14 Abs. 2 Schweizerisches VVG); dort bewegen sich die Kürzungen bei grober Fahrlässigkeit in einem Bereich von 30 %, lediglich bei alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit werden höhere Kürzungen vorgenommen.[2]

 

Rz. 7

Es ist davon auszugehen, dass in der Rechtsprechung auf Dauer durch Kasuistik eine Tabelle entwickelt wird, wie es sie bereits zu Haftungsquoten bei Verkehrsunfällen und Schmerzensgeld gibt.

 

Rz. 8

Rechtsprechung:

Ein Abzug von 75 % ist zulässig, wenn der Versicherungsnehmer einem erkennbar alkoholbedingt fahruntüchtigen Fahrer das versicherte Fahrzeug überlässt.[3]
Bei einem Rotlichtverstoß ist eine Kürzung auf 50 % der Versicherungsleistung angemessen.[4]
Beim Abkommen von der Fahrbahn wegen Anzündens einer Zigarette ist eine Leistungskürzung von 75 % angemessen.[5]
Bei absoluter Fahruntüchtigkeit tritt vollständige Leistungsfreiheit des Versicherers ein.[6]
Auch bei alkoholbedingter absoluter Fahruntüchtigkeit ist nicht generell eine Kürzung auf Null angemessen, es kommt auch hier auf die besonderen Umstände des Einzelfalls an.[7]
Wenn die begrenzte Höhe der Einfahrt eines Parkhauses missachtet und ein Fahrzeugschaden verursacht wird, ist eine hälftige Kürzung der Entschädigung ange­messen.[8]
Wird mit einem gemieteten Lkw gegen eine Straßenbrücke gestoßen, obgleich auf die geringe Durchfahrtshöhe durch entsprechende Verkehrsschilder hingewiesen wird und die Kante der Unterführung deutlich rot-weiß markiert ist, liegt grobe Fahrlässigkeit vor, die eine Kürzung von einem Drittel berechtigt.[9]
Ein Fahrzeugführer, der bei winterlichen Straßenverhältnissen mit Sommerreifen von der Fahrbahn abkommt, muss eine Kürzung der Versicherungsleistungen um 50 % hinnehmen.[10]
Bei relativer Fahruntüchtigkeit (ab 0,3 Promille) ist in der Regel mit einer Kürzungsquote von 50 % zu beginnen, die sich dann nach dem Grad der Alkoholisierung bis auf 100 % bei absoluter Fahruntüchtigkeit steigert.[11]
Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,55 Promille ist eine Leistungskürzung um 25 % angemessen.[12]
Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,54 Promille ist eine Leistungskürzung um 75 % angemessen.[13]
Wenn ein Kraftfahrer nachts einem Fuchs ausweicht und hierdurch einen Fahrzeugschaden verursacht, ist der Aufwendungsersatzanspruch im konkreten Fall um 60 % zu kürzen.[14]
Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,95 Promille ist eine Kürzung um zwei Drittel gerechtfertigt,[15]
50 % Kürzung bei Missachtung der Durchfahrtshöhe einer Unterführung mit einem Mietfahrzeug,[16]
50 % Mithaftung bei Aufbewahrung von Fahrzeugschlüsseln in einem nicht abgeschlossenen Aufenthaltsraum,[17]
50 % Kürzung bei Aufbewahrung eines Fahrzeugschlüssels im Korb eines Aufenthaltsraums eines Seniorenheims während der Nachtschicht,[18]
Kürzung auf 25 % bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,09 Promille[19] oder bei 0,93 Promille,[20]
Kürzung auf 25 % ist gerechtfertigt, wenn ein Kraftfahrzeug unverschlossen und mit Schlüssel im Zündschloss abgestellt wird.[21]
[1] Prölss/Martin/Armbrüster, § 81 VVG Rn 67 m.w.N.
[2] Rixecker, zfs 2007, 15, 16.
[3] LG Bonn, 10 O 115/09, DAR 2010, 24.
[4] OLG Koblenz, 2 U 1021/09, r+s 2012, 431; LG Münster, 15 O 141/09, zfs 2009, 641 = VersR 2009, 1615 = DAR 2009, 705 = r+s 2009, 501; AG Duisburg, 50 C 2567/09; AG Essen, 10 S 32/10, r+s 2010, 320.
[5] OLG Naumburg, 4 U 133/08, r+s 2010, 319 = SP 2010, 227.
[7] BGH, IV ZR 225/10, SP 2011, 370; KG, 6 U 87/10, DAR 2011, 22 = zfs 2011, 29 = NZV 2011, 495; BGH, IV ZR 251/10, VersR 2012, 384 = zfs 2012, 212 = NZV 2012, 225; 40 %: OLG Düsseldorf, 24 U 54/12, NJW-RR 2013, 142.
[8] OLG Stuttgart, 7 O 102/10, NJW-RR 2011, 185; LG Konstanz, 3 O 190/09, zfs 2010, 214.
[9] LG Göttingen, r+s 2010, 194.
[10] AG Hamburg St. Georg, 216 C 390/09, r+s 2010, 323.
[11] OLG Hamm, 20 U 74/10, VersR 2011, 207 = SP 2011, 82.
[12] OLG Düsseldorf, ...

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