Rz. 46

Nach § 2318 Abs. 3 BGB kann der pflichtteilsberechtigte Erbe das Vermächtnis insoweit kürzen, dass ihm sein eigener Pflichtteil verbleibt. Bei § 2318 Abs. 3 BGB muss immer § 2306 BGB beachtet werden. Der § 2318 Abs. 3 BGB kommt demnach nur zur Anwendung, wenn der pflichtteilsberechtigte Erbe den Erbteil trotz der ihm auferlegten Beschränkungen und Beschwerungen durch Vermächtnisse und Auflagen gem. § 2306 Abs. 1 BGB ausgeschlagen hat.[117]

 

Rz. 47

§ 2318 Abs. 3 BGB schützt den Pflichtteil des Erben nur, wenn neben Vermächtnissen und Auflagen noch weitere fremde Pflichtteilsansprüche hinzutreten.[118] Somit schützt § 2318 Abs. 3 BGB den vollen Pflichtteil nur dann, wenn das Vermächtnis und die Pflichtteilslast zusammen den eigenen Pflichtteil des Erben beeinträchtigen. Wird der Pflichtteil des Erben allein durch das Vermächtnis bereits beeinträchtigt, ist der Pflichtteil nicht durch § 2318 Abs. 3 BGB geschützt. Denn schlägt der Erbe das seinen Pflichtteil allein belastende Vermächtnis nicht aus, muss er das Vermächtnis auch auf Kosten seines eigenen Pflichtteils voll tragen.[119] Wird also der Pflichtteilsanspruch des Erben bereits durch das Vermächtnis geschmälert und hat der Erbe aufgrund nicht erfolgter Ausschlagung nach § 2306 Abs. 1 BGB kein Recht auf Erhaltung des Pflichtteils, dann schützt § 2318 Abs. 3 BGB beim Hinzutreten weiterer Pflichtteilsansprüche nur den Betrag, den der Vermächtnisanspruch zur Zeit der Ausschlagungsmöglichkeit vom Pflichtteil des Erben noch nicht "verbraucht" hätte. Es wird danach nur der Teil des Pflichtteils geschützt, der durch hinzutretende Pflichtteilslasten zusätzlich beeinträchtigt wird.[120]

 

Fallbeispiel

Erblasser E hat zwei Söhne. Er setzt seinen Sohn S zu seinem Alleinerben ein und vermacht seinem Freund F einen Vermächtnisanspruch i.H.v. 24.000 EUR. Der Nachlass hat einen Wert von 30.000 EUR. Sein zweiter Sohn A ist enterbt und macht seinen Pflichtteil geltend.[121]

Lösung

Der Sohn S muss den Pflichtteil des anderen Sohnes A i.H.v. 7.500 EUR ausbezahlen. Er kann aber nach § 2318 Abs. 1 BGB im Innenverhältnis das Vermächtnis um 6.000 EUR (7.500 EUR x 24.000 EUR : 30.000 EUR = 4:1) kürzen. S müsste daher insgesamt 25.500 EUR (Vermächtnis i.H.v. 18.000 EUR und Pflichtteil i.H.v. 7.500 EUR) auszahlen. Ihm selbst würden dann lediglich nur 4.500 EUR verbleiben. Gem. § 2318 Abs. 3 BGB müssen S aber mindestens 6.000 EUR (Nachlass 30.000 EUR abzgl. Vermächtnis 24.000 EUR) verbleiben. Dieser Betrag liegt jedoch noch unter seinem Pflichtteilsanspruch von 7.500 EUR. Der Schutzbereich des § 2318 Abs. 3 BGB führt nämlich nicht dazu, dass S das Vermächtnis des F soweit kürzen darf, dass ihm sein gesamter Pflichtteil verbleibt. Um dies zu erreichen, hätte er gem. § 2306 Abs. 1 BGB die Erbschaft ausschlagen müssen.

[117] Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Hölscher/Mayer, HB Pflichtteilsrecht, § 2 Rn 81; BGHZ 95, 22.
[118] BGHZ 95, 222, 227; Tanck, ZEV 1998, 132, 133.
[119] BGH FamRZ 1985, 1024; Sporré, ZEV 2022, 5, 9.
[120] Tanck, ZEV 1998, 132.
[121] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 6 Rn 113.

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