aa) Objektive Beweislast

 

Rz. 38

Die objektive Beweislast (auch Feststellungslast) gibt es unabhängig davon, ob in einem Verfahren die Untersuchungsmaxime, die eingeschränkte Untersuchungsmaxime oder der Verhandlungsgrundsatz gilt. Die Erkenntnis der materiellen Rechtslage setzt eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts voraus, unabhängig davon, wer für die Einführung der entscheidungserheblichen Umstände in das Verfahren, die Feststellung des Sachverhalts, verantwortlich ist.[56] Wie im Zivilprozess ist das Gericht auch in "reinen FamFG-Familiensachen" verpflichtet, eine verfahrensabschließende Entscheidung zu treffen. Es darf diese nicht unter Hinweis auf die fehlende Entscheidungsgrundlage verweigern. Vielmehr trifft das Gericht eine Entscheidung entsprechend der Verteilung der Feststellungslast oder objektiven Beweislast.[57] Sie gibt dem Gericht die Antwort auf die Frage, zu wessen Nachteil im Falle eines sogenannten non liquet die Entscheidung zu fällen ist. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt die objektive Beweislast oder Feststellungslast jeder Beteiligte für die Voraussetzung der ihm günstigen Norm.[58] Dies gilt sowohl für die objektive Beweislast anspruchsbegründender Tatsachen als auch für Tatsachen, die Tatbestandsmerkmale betreffen, deren Erfüllung den Eintritt einer Rechtsfolge hindern, entfallen lassen oder hemmen.[59]

[56] Brehm, § 11 Rn 41, 42; MüKo-FamFG/Ulrici, § 37 Rn 14.
[57] BayObLG FGPrax 2002, 111, 112; KG NJW-RR 1991, 392 f.; MüKo-FamFG/Ulrici, § 37 Rn 15 m.w.N.
[58] Vgl. die Übersicht über die Beweislasttheorien bei Musielak/Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rn 220.
[59] Brehm, § 11 Rn 43.

bb) Subjektive Beweislast

 

Rz. 39

Eine subjektive Beweislast oder Beweisführungslast existiert auch in privatrechtlichen Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich nicht. Diese Last gibt es nur in Verfahren mit Verhandlungsmaxime. Da auch in privatrechtlichen Streitigkeiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit der Untersuchungsgrundsatz – wenn auch in zum Teil nicht unerheblich eingeschränkter Form – gilt, entspricht der objektiven Beweislast keine Beweisführungslast.

 

Rz. 40

Allerdings sind Ehegatten sowie Opfer und Täter in Gewaltschutzsachen im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nach § 27 FamFG gehalten, durch ihren Vortrag und die Bezeichnung geeigneter Beweismittel dem Gericht Anhaltspunkte dafür zu geben, in welche Richtung und mit welchen Beweismitteln es seine Ermittlungen durchführen soll.[60] Darüber hinaus besteht jedoch insbesondere in Haushaltssachen aufgrund der §§ 203 Abs. 1, Abs. 2, 206 FamFG eine dem Erbscheinverfahren durch §§ 23542356, 2358 BGB vergleichbare Lage. In Erbscheinverfahren geht man von einer zumindest eingeschränkten Beweisführungslast des Antragstellers aus.[61] Für Haushaltssachen gilt nichts anderes, da sonst ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch aufträte. Die unterschiedliche Bewertung wertungsmäßig gleichliegender Tatbestände begründet einen Wertungswiderspruch, der mit der Idee der Gerechtigkeit im Sinne des "gleichen Maßes" nicht zu vereinbaren ist.[62] "

[60] BayObLGZ 1984, 102, 104; KG OLGZ 1974, 411, 416; Keidel/Sternal, § 26 Rn 20, § 29 Rn 47.
[61] Keidel/Sternal, § 29 Rn 47; a.A. Brehm, § 22 Rn 25, mit der nichtzutreffenden Begründung, dass das Gericht nicht abwarten müsse, bis ein Beteiligter Beweismittel benennt. Dies ist zwar zutreffend, besagt aber gerade nichts zu der entscheidenden Frage, ob das Gericht bei fehlenden Beweisanträgen und fehlender Angabe von Beweismitteln von Amts wegen verpflichtet ist, entsprechende Ermittlungen durchzuführen.
[62] Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155.

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