aa) Antragserfordernis – keine Einleitung von Amts wegen

 

Rz. 19

§ 203 Abs. 1 FamFG bestimmt, dass Verfahren in Ehewohnungs- und Haushaltssachen nur auf Antrag eingeleitet werden.

Auch bei Gewaltschutzsachen handelt es sich durchweg um Antragsverfahren, obwohl die §§ 210 ff. FamFG keine § 203 Abs. 1 FamFG entsprechende Vorschrift enthalten. Die Notwendigkeit des Antrags folgt bei Gewaltschutzsachen aus §§ 1 Abs. 1 S. 1; 2 Abs. 1, Abs. 5, Abs. 6 S. 1, Abs. 6 S. 3 i.V.m. Abs. 5 GewSchG.

Daraus folgt im Ergebnis, dass Dritte nicht antragsbefugt sind. Eine Verfahrenseinleitung von Amts wegen ist nicht zulässig; deshalb können die Verfahren nicht durch eine Anregung eingeleitet werden, § 24 Abs. 1 FamFG. Dies entspricht der Einordung der Ehewohnungs-, Haushalts- und Gewaltschutzsachen als privatrechtliche Streitigkeiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in denen sich die Beteiligten als Gegner gegenüberstehen, vermögensrechtliche Interessen privatrechtlicher Natur verfolgen und das Gericht als neutrale Instanz verbindlich über Rechte und Rechtsverhältnisse der Beteiligten entscheidet.

bb) Antragsinhalt

 

Rz. 20

Eine ausdrückliche Regelung über den zwingenden Mindestinhalt des Antrags ist § 23 FamFG nicht zu entnehmen. Aus der Funktion des verfahrenseinleitenden Antrags – dem Gericht einen bestimmten Verfahrensgegenstand zur Entscheidung zu überantworten – ergibt sich, dass das angerufene Gericht, der Antragsteller und der Verfahrensgegner zu bezeichnen sind und zum Ausdruck gebracht werden muss, dass ein gerichtliches Tätigwerden begehrt wird.[26]

[26] MüKo-FamFG/Ulrici, § 23 Rn 28 ff.

cc) Qualifikation des Antrags

(1) Allgemeines

 

Rz. 21

Die Ausführungen zum Antragsinhalt beantworten zugleich grundsätzlich die Frage, ob es sich bei dem Antrag um einen einfachen Verfahrensantrag[27] oder um einen Sachantrag[28] handelt.

Der Verfahrensantrag entspricht der Klage im Zivil- oder Verwaltungsgerichtsprozess (vgl. § 81 Abs. 1 S. 1 VwGO). Mit dem Sachantrag begeht der Antragssteller den Ausspruch einer konkreten Rechtsfolge und begrenzt hierdurch die Entscheidungsmacht des Gerichts, § 308 Abs. 1 ZPO, § 88 VwGO. Der Sachantrag entspricht dem bestimmten Klageantrag im Zivilprozess (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) oder im Verwaltungsgerichtsprozess (§ 82 Abs. 1 S. 2 VwGO). Den Unterschied beider Antragsbegriffe zeigt besonders deutlich die Rechtslage der VwGO. In VwGO-Verfahren gilt der Dispositionsgrundsatz (§ 88 VwGO), das Verwaltungsgericht wird nur auf eine Klage hin und nicht von Amts wegen tätig. Mit der Klage fordert der Kläger das Gericht auf, in einer bestimmten Sache (vgl. § 82 Abs. 1 S. 1 VwGO a.E.) tätig zu werden. Er bestimmt mit seiner Klage den Klagegegenstand. Ein Sachantrag ist demgegenüber, im Gegensatz zum Zivilprozess, nicht erforderlich, § 82 Abs. 1. S. 2 VwGO: "soll". Der Sachantrag dient nicht der Bestimmung, sondern der Begrenzung des Verfahrensgegenstands. Zur Bestimmung des Verfahrensgegenstands genügt der Verfahrensantrag.[29]

[27] So Schulte-Bunert/Weinreich/Weinreich, § 203 Rn 4; Haußleiter/Fest, § 203 Rn 2.
[28] So Keidel/Giers, § 203 Rn 2; Johannsen/Henrich/Götz, § 203 Rn 2; Bork/Jacoby/Schwab/Schwab, § 203 Rn 4, 5; vgl. auch grundlegend und ausführlich MüKo-FamFG/Ulrici, § 23 Rn 5 ff., 6, 11 ff.
[29] MüKo-FamFG/Ulrici, § 23 Rn 5 f.

(2) Zusammenfallen von Verfahrens- und Sachantrag

 

Rz. 22

In Antragsverfahren kommt aber nun einem beschränkenden Sachantrag keine Funktion zu, wenn dem Verfahrensgegenstand nach dem einschlägigen materiellen Recht nur eine konkrete Rechtsfolge zugeordnet werden kann. Bereits der den Gegenstand bestimmende Verfahrensantrag begrenzt die Reichweite der gerichtlichen Tätigkeit und Entscheidung mit der Folge, dass Verfahrensantrag und Sachantrag zusammen fallen.[30]

Dies trifft auf die Ansprüche gemäß §§ 1361a Abs. 1 S. 1, 1361a Abs. 1 S. 2, 1568b Abs. 1, 1568a Abs. 1, Abs. 2, 1568a Abs. 4, 1568a Abs. 5 S. 1, 1568a Abs. 5 S. 3 BGB und gemäß § 2 Abs. 1, 2 Abs. 6 S. 1 GewSchG zu. Jedes Mal wird der Verfahrensgegenstand erst durch die Bezeichnung der konkreten Haushaltsgegenstände, der Ehewohnung, hinsichtlich derer ein Mietverhältnis begründet werden soll, des Mietvertrags bzgl. dessen die ortsübliche Miete entrichtet werden soll, der Wohnung, deren Überlassung im Gewaltschutzverfahren begehrt wird von anderen Verfahrensgegenständen abgegrenzt. Deshalb fallen hier Verfahrens- und Sachantrag zusammen.

[30] MüKo-FamFG/Ulrici, § 23 Rn 13.

(3) Bindender Sachantrag

 

Rz. 23

Verfahrens- und Sachantrag fallen in solchen Verfahren nicht zusammen, in denen dem Verfahrensgegenstand nach dem einschlägigen materiellen Recht nicht nur eine konkrete Rechtsfolge zugeordnet werden kann und – zusätzlich – die Beteiligten über die betroffenen materiellen Rechte dispositionsbefugt sind. Es entspricht dann ihrer Stellung als Verfahrenssubjekte, dass sie die Entscheidungsbefugnis beschränken können. Bindende Sachanträge, einschließlich des Rechts zu verdeckten Teilanträgen, sind in diesen Fällen möglich.[31] So kann der Ehegatte, der den Antrag auf Überlassung der Ehewohnung für die Zeit des Getrenntlebens gemäß § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB geltend macht, als Antragsteller das Gericht dadurch binden, dass er nur di...

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