I. Überblick über den grundsätzlichen Inhalt des Widerspruchsrechts

 

Rz. 164

In den Fällen, in denen sich eine Datenverarbeitungsbefugnis des Verantwortlichen aus der Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse, aus der Ausübung öffentlicher Gewalt oder auf Grundlage eines überwiegenden berechtigten Interesses des Verantwortlichen ergibt, gewährt die DSGVO der betroffenen Person – in Fortentwicklung der bereits in Art. 14 Datenschutzrichtlinie vorgesehenen Rechtsstellung – das Recht, gegen die Verarbeitung Widerspruch zu erheben (Art. 21 DSGVO).

 

Rz. 165

Die Widerspruchsbefugnis ist von besonderer Bedeutung und als eigenständiges Betroffenenrecht[158] zu qualifizieren. Es ergänzt das Auskunftsrecht der betroffenen Person nach Art. 14 Abs. 2 lit. b) DSGVO,[159] indem ihr die Möglichkeit und die Befugnis eingeräumt werden, die berechtigten Interessen des Verantwortlichen nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern diesem auch die eigenen Interessen entgegenzuhalten und deren Überwiegen zu behaupten.[160] Darüber wird unmittelbar die Einschränkung der Verarbeitung erzielt und – sollte der Verantwortliche in der ex post Betrachtung ein Überwiegen der Betroffeneninteressen feststellen – die endgültige Beendigung der Verarbeitung der betroffenen Daten auf Grundlage des Art. 6 Abs. 1 lit. e) oder f) DSGVO herbeigeführt.[161]

 

Rz. 166

Obgleich auch die Verarbeitung personenbezogener Daten zu Werbezwecken – soweit sie nicht auf einer Einwilligung der betroffenen Person beruht – allein unter Art. 6 Abs. 1 lit. f) DSGVO zu rechtfertigen ist, finden sich in Art. 21 Abs. 2 DSGVO besondere Vorgaben für Verarbeitungen zum Zwecke der Direktwerbung. Hier führt ein Widerspruch der betroffenen Person generell dazu, dass Daten (ex nunc) nicht weiter verarbeitet werden dürfen. Es besteht also kein Abwägungsspielraum des Verantwortlichen, der einem Werbewiderspruch entgegengehalten werden könnte.

 

Rz. 167

In Art. 21 Abs. 6 DSGVO finden sich zudem Regelungen zu Widerspruchsmöglichkeiten der betroffenen Person, soweit Verarbeitungen zu wissenschaftlichen oder historischen Forschungszwecken oder zu statistischen Zwecken betroffen sind. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 36 BDSG-Neu das Widerspruchsrecht gegen Datenverarbeitungen durch öffentlichen Stellen ausgeschlossen, soweit an der Verarbeitung ein zwingendes öffentliches Interesse besteht, das die Interessen der betroffenen Person überwiegt oder eine Rechtsvorschrift zur Verarbeitung verpflichtet.

[158] So auch Kamann/Braun, in: Ehmann/Selmayr (Hrsg.), Datenschutz-Grundverordnung, 2017, Art. 21 Rn 4.
[159] Hierzu bereits § 5 Rdn 126 ff.
[160] Zu den inhaltlichen Anforderungen sogleich, Rdn 171 ff.
[161] Die Beendigung der Verarbeitung bezieht sich insoweit – entgegen dem Wortlaut der Norm – nicht generell auf alle Verarbeitungsvorgänge, sondern allein auf solche, die ihre Rechtsgrundlage ausschließlich in den genannten Bestimmungen finden. Sind derartige Daten betroffen, führt der nachträgliche Wegfall der Verarbeitungsbefugnis gleichsam zu einer Löschungspflicht des Verantwortlichen bzw. einem entsprechenden Löschungsanspruch der betroffenen Person, der nach Maßgabe des Art. 18 Abs. 1 lit. b) DSGVO auf Antrag des Betroffenen auch in einen Anspruch auf Einschränkung der Verarbeitung gewandelt werden kann.

II. Widerspruch gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO

1. Gegenstand

 

Rz. 168

Das Widerspruchsrecht der betroffenen Person gem. Art. 21 Abs. 1 DSGVO richtet sich ausschließlich gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten, die die betroffene Person (unmittelbar) betreffen, und deren Verarbeitung (ausschließlich) aufgrund von Art. 6 Abs. 1 lit. e) oder f) DSGVO erfolgt. Die Formulierung, dass dies auch für ein auf diese Bestimmungen gestütztes Profiling gilt, hat lediglich deklaratorische Bedeutung.

 

Rz. 169

Wie das Recht auf Datenübertragbarkeit, ist auch das Widerspruchsrecht auf personenbezogene Daten beschränkt und bezieht anonymisierte Daten nicht mit ein. Dem gegenüber fallen pseudonymisierte Daten in den Anwendungsbereich der Norm. Weiterhin müssen die personenbezogenen Daten die betroffene Person (zumindest auch) betreffen. Dass daneben auch andere Personen betroffen sein können, hindert die grundsätzliche Anwendbarkeit des Art. 21 Abs. 1 DSGVO nicht. Da Art. 21 DSGVO – anders als Art. 20 DSGVO – auch keine Einschränkung in Bezug auf die Rechte und Freiheiten anderer natürlicher Personen enthält, führt das Widerspruchsrecht grundsätzlich zu einer Verwendungsbeschränkung. Dies gilt auch, soweit Daten anderer natürlicher Personen betroffen sind, was insbesondere bei Informationen in Bezug auf Beziehungsgeflechte (Ehegatte, Lebenspartner, WG-Mitbewohner usw.) eine Rolle spielen dürfte.[162] Die Interessen einer "drittbetroffenen" natürlichen Person können jedoch in die erneute Interessenabwägung zwischen den Betroffeneninteressen und den berechtigten Interessen des Verantwortlichen, als "Drittinteressen" eingestellt werden und einen Ausschluss des Widerrufsrechtes bedingen.[163] Eine Beschränkung auf automatisierte Datenverarbeitungen findet sich – anders als in Art. 20 DSGVO – in Art. 21 DSGVO nicht.

 

Rz. 170

Es si...

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