Rz. 71

Art. 17 DSGVO regelt das – auch aus der Richtlinie[62] bekannte – Recht der betroffenen Person, vom Verantwortlichen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a) bis f) die unverzügliche Löschung personenbezogener Daten zu verlangen und verpflichtet den Verantwortlichen, die personenbezogenen Daten unverzüglich zu löschen, soweit keine der Ausnahmen des Abs. 3 greift.

 

Rz. 72

Der Gesetzgeber[63] bezeichnet das Recht auf Löschung als "Recht auf Vergessenwerden" und greift mit dieser Begrifflichkeit einen im Jahre 2014 erstmalig durch den EuGH aufgegriffenen Terminus auf.[64] In dem entschiedenen und auch außerhalb von Datenschutzkreisen weltweit viel beachteten Verfahren, hatte sich die Große Kammer mit zwei zentralen datenschutzrechtlichen Fragestellungen zu befassen.

1. Ist ein Suchmaschinenbetreiber selbst als Verantwortlicher anzusehen?
2. Kann von einem Suchmaschinenbetreiber verlangt werden kann, veraltete Informationen über eine natürliche Person aus seinen Ergebnislisten zu löschen.

Der EuGH bejahte beides im Wesentlichen: Seitdem wird der Terminus des "Rechts auf Vergessenwerden" gemeinhin mit dem Recht, von einem Suchmaschinenbetreiber zu verlangen, bestimmte Treffer aus der Ergebnisliste zu löschen, gleichgesetzt. Tatsächlich geht Art. 17 DSGVO auf diesen Spezialfall in concreto nicht ein,[65] sondern beschreibt das Recht auf Löschung allgemein mit "Recht auf Vergessenwerden".[66]

 

Rz. 73

Die Norm gliedert sich in drei Absätze:

Absatz 1 beschreibt einzelne Tatbestandsvarianten, bei deren Vorliegen die betroffene Person vom Verantwortlichen grundsätzlich Löschung verlangen kann.
Absatz 2 enthält eine Verpflichtung des Verantwortlichen, der die personenbezogenen Daten öffentlich gemacht hat, andere Verantwortliche, die diese Daten genutzt haben können, über die Löschung zu informieren.
Absatz 3 beschreibt einzelne Tatbestände, bei deren Vorliegen ein Recht auf Löschung nicht besteht.
[62] Art. 12 lit. 2 Datenschutz-Richtlinie 95/46.
[63] Erwägungsgrund 65 S. 1 DSGVO.
[64] EuGH, Urt. v. 13.5.2014 – C-131/12, Google = NJW 2014, 2257; hierzu bspw. Spindler, JZ 2014, 981 Nolte, NJW 2014, 2238; Kühling, EuZW 2014, 527; Arning/Moos/Schefzig, CR 2014, 447; Boehme-Neßler, NVwZ 2014, 825; v. Danwitz, DuD 2015, 581; Leutheuser-Schnarrenberger, ZD 2015, 149; Holznagel/Hartmann, MMR 2016, 228; aus der internationalen Literatur: Kranenborg, EDPL 2015, 1; Liddicoat, The Right to be forgotten, abrufbar unter: https://www.privacy.org.nz/assets/Files/Speeches-presentations/Right-to-be-Forgotten-Joy-Liddicoat.pdf; Ward, abrufbar unter: http://www.legco.gov.hk/general/english/library/stay_informed_overseas_policy_updates/the_right_to_be_forgotten.pdf; Rivero, European Union Law Working Papers 2017, No. 19, abrufbar unter: https://www-cdn.law.stanford.edu/wp-content/uploads/2017/02/fomperosa_eulawwp19.pdf.; Ahmed, Computer and Telecommunications Law Review, 2015, abrufbar unter: http://www.bracu.ac.bd/sites/default/files/academy/research-document/WLDoc 16–1-31 1_29 (AM).pdf; Stuart, NORTH CAROLINA JOURNAL OF LAW & TECHNOLOGY, VOLUME 15, ISSUE 3: SPRING 2014, abrufbar unter: http://ncjolt.org/wp-content/uploads/2014/04/Stuart-Final.pdf; Abril/Liptoon, Kentucky Law Journal, 2015, 363 ff., abrufbar unter: http://www.kentuckyawjournal.org/wp-content/uploads/2015/02/103KyLJ363.pdf.
[65] So auch Paal, in: Paal/Pauly (Hrsg.), Datenschutz-Grundverordnung, 2017, Art. 17 Rn 2.
[66] Zur historischen Einordnung des "Rechts auf Vergessen" und seine Wurzeln im us-amerikanischen Recht, vgl. auch die Darstellung bei Forst, in: Thüsing/Wurth Hrsg.), Social Media im Betrieb, 2015, II. Rn 13 ff.; siehe auch van Hoboken, The Proposed Right to be Forgotten Seen from the Perspective of Our Right to Remember, abrufbar unter: http://www.law.nyu.edu/sites/default/files/upload_documents/VanHoboken_RightTo%20Be%20Forgotten_Manuscript_2013.pdf.

I. Löschungsgründe

1. Zweckfortfall, Art. 17 Abs. 1 lit. a) DSGVO

 

Rz. 74

Ein Löschungsanspruch der betroffenen Person soll bestehen, wenn personenbezogene Daten für die (rechtmäßig festgelegten) Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Hat der Verantwortliche den Erhebungs- oder Weiterverarbeitungszweck eines Datums erreicht oder verfolgt er diesen nicht mehr (ernsthaft) weiter, besteht grundsätzlich auch kein Bedürfnis mehr, das betroffene Datum weiter zu speichern und zu "besitzen".

 

Rz. 75

Art. 17 Abs. 1 lit a) DSGVO ist damit eng mit dem in Art. 5 Abs. 1 lit. b) DSGVO normierten Zweckbindungsgrundsatz[67] verbunden und dient den Grundsätzen der Datenminimierung[68] und der Speicherbegrenzung.[69]

 

Rz. 76

Worms[70] sieht die betroffene Person hinsichtlich des Zweckfortfalls grundsätzlich als darlegungspflichtig an und sieht den Verantwortlichen lediglich sekundär in der Darlegungslast. Dies ist (wohl) auch in dem Sinne zu verstehen, dass die Löschungspflicht bei Zweckfortfall erst "mit Antrag" der betroffenen Person überhaupt in Betracht käme. Aus dem Wortlaut des Art. 17 Abs. 1 lit. a) DSGVO selbst ergeben sich...

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