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Umgekehrt lassen andere Anbieter die Vorlage einer Sterbeurkunde genügen, um einen Account löschen zu lassen.[21] So wird etwa bei Google zur Löschung der Kontodaten nur das Hochladen einer Kopie der Sterbeurkunde verlangt.[22] Bei Facebook genügen u.a. die Daten des Verstorbenen und nur "optional" kann ein Link zu einer Sterbeurkunde hochgeladen werden, um einen Account in den Gedenkzustand zu versetzen.[23] Das ist rechtswidrig,[24] da nicht sichergestellt ist, dass die Erben und nicht unbefugte Dritte über den Verbleib oder die Zugänglichkeit des Kontos entscheiden. Es muss aber sichergestellt sein, dass der Account zunächst unverändert auf die Erben übergeht. Zumindest müssen die Anbieter aufgrund eines Erbscheins, Europäischen Nachlasszeugnisses oder öffentlichen Testaments mit Eröffnungsprotokoll davon ausgehen dürfen (siehe hierzu Rdn 2 ff.). Zwar existiert keine gesetzliche Regelung, wonach der Schuldner eine Leistung gegenüber den Erben nur erbringen darf, wenn die Erbenstellung des Gläubigers durch einen Erbschein nachgewiesen ist.[25] Abgesehen von den Sonderregelungen der § 35 Abs. 1 S. 1 GBO, § 41 Abs. 1 S. 1 Schiffsregisterordnung, § 86 des Gesetzes über Rechte an Luftfahrzeugen ist der Erbe nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern hat auch die Möglichkeit, diesen Nachweis in anderer Form zu erbringen.[26] Der Schuldner einer Leistung kann gegen die ihm obliegenden Leistungstreuepflichten aus dem Vertrag mit dem Erblasser verstoßen, wenn er zum Nachweis der Erbfolge stets einen Erbschein verlangt.[27] Der Erbe kann sein Erbrecht z.B. auch durch Vorlage eines eröffneten eigenhändigen Testaments belegen, wenn dieses die Erbfolge im konkreten Einzelfall mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit nachweist.[28]

Eine Sterbeurkunde oder Traueranzeige erfüllt diese Voraussetzungen aber nicht. Sie stellen überhaupt keinen tauglichen Nachweis über die Erbfolge dar.[29] Wer hierauf "vertraut", nimmt billigend in Kauf, dass er seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem wahren Erben verletzt. Verschafft der Provider unbefugten Dritten Zugang zu Daten, verstößt er schließlich auch gegen § 13 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TMG oder § 88 TKG[30] und entzieht den Erben in unzulässiger Weise den Zugriff auf Account und Inhalte.[31] Hierdurch verstößt der Provider als Schuldner gegen die Leistungstreuepflichten aus dem Vertrag; denn aus der Leistungstreuepflicht folgt die generelle Verpflichtung, den Vertragszweck und den Leistungserfolg weder zu gefährden noch zu beeinträchtigen.[32] Insoweit benachteiligt eine Klausel, nach der die Vorlage einer Sterbeurkunde o.Ä. genügt, um sich als Berechtigter zu legitimieren, auch den Nutzer und stellt eine unangemessene Benachteiligung der Nutzer und ihrer Erben gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB dar.[33] Denn Nutzer sind der Erblasser und ihm nachfolgend die Erben und nicht etwa diejenigen, die aufgrund einer Sterbeurkunde o.Ä. leichtes Spiel haben, auf den Account zuzugreifen.[34]

[21] So z.T. auch die Telekom, gmx.de, web.de und die VZ-Netzwerke.
[22] https://support.google.com/accounts/troubleshooter/6357590?hl=de#ts=6357652.
[23] https://de-de.facebook.com/help/contact/651319028315841.
[24] Herzog, NJW 2013, 3735, 37; Brisch/Müller-ter Jung, CR 2013, 446 (448); Gloser, MittBayNot 2016, 12, 19; Kutscher, 124; a.A. Seidler, S. 149; Dopatka, NJW-aktuell 49/2010, 14; Solmecke/Köbrich/Schmitt, MMR 2015, 291, 294; Hoeren, NJW 2005, 2113, 2116 hält dies unzutreffend für eine rechtliche Grauzone; zu undifferenziert wohl der Bericht der Arbeitsgruppe "Digitaler Neustart" v. 15.5.2017, S. 355, wonach Regelungen in AGB, welche an den Nachweis der Erbenstellung keine besonderen bzw. Anforderungen unterhalb der Vorlage eines Erbscheins stellen, zulässig bzw. gem. § 307 Abs. 3 BGB einer Inhaltskontrolle entzogen sein sollen.
[25] Hierauf weist Seidler, S. 149 richtig hin.
[27] So der BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15 – für Banken, ZErb 2016, 201 = ErbR 2016, 376 = ZEV 2016, 320 m. Anm. Bredemeyer, in Fortführung zu BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, WM 2005, 1432.
[28] So der BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15 – für Banken, ZErb 2016, 201 = ErbR 2016, 376 = ZEV 2016, 320 m. Anm. Bredemeyer, in Fortführung zu BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, WM 2005, 1432.
[29] Redeker, in: DAV-Stellungnahme Nr. 34/2013, S. 59, 63.
[30] Das räumt auch Seidler, S. 148 ein.
[31] LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189.
[32] So der BGH, Urt. v. 5.4.2016 – XI ZR 440/15 – für Banken, ZErb 2016, 201 = ErbR 2016, 376 = ZEV 2016, 320 m. Anm. Bredemeyer, in Fortführung zu BGH, Urt. v. 7.6.2005 – XI ZR 311/04, WM 2005, 1432.
[33] LG Berlin, Urt. v. 17.12.2015 – 20 O 172/15, ZErb 2016, 109 = ErbR 2016, 223 = ZEV 2016, 189; a.A. Seidler, S. 149.
[34] Das übersieht Seidler, S. 149.

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