Rz. 1
Treten nach den genannten Grundsätzen die Erben gemäß § 1922 BGB, auch was den digitalen Nachlass angeht, in die Rechtsstellung des Erblassers ein, so gelten für die Frage der Legitimation als Rechtsnachfolger gegenüber dem digitalen Rechtsverkehr die allgemeinen Regeln, soweit keine (wirksamen) abweichenden Regelungen zwischen Provider und Erblasser getroffen wurden.
Dazu ein an unseren Ausgangsfall anknüpfendes Beispiel:
Beispiel
L hat den Anbieter des von A genutzten E-Mail-Dienstes sowie die Anbieter der von A genutzten sozialen Netzwerke angeschrieben und sie vom Tod des A unterrichtet. Sie bittet um Zugangsverschaffung durch Zurücksetzung der alten und Übermittlung neuer Passwörter an eine von ihr angegebene E-Mail Adresse. Die angeschriebenen Dienste verlangen von L nun Nachweise, dass sie Rechtsnachfolgerin des A ist. Zum Teil begnügt man sich mit der Übersendung einer Kopie der Sterbeurkunde. Ein anderer Anbieter verlangt einen Erbschein. Ein dritter Anbieter, der in den USA ansässig ist, allerding eine Niederlassung in Europa betreibt, verlangt die Erwirkung einer Verfügung durch ein kalifornisches Gericht. Alle Anbieter verweisen jeweils auf ihre entsprechenden Nutzungsbedingungen.
Rz. 2
Legitimieren können sich die Erben innerhalb von Deutschland jedenfalls mit einem Erbschein[2] und innerhalb des Geltungsbereiches der EU-ErbVO mit einem Europäischen Nachlasszeugnis. Inwieweit beide im (außereuropäischen) Ausland anerkannt werden oder inwieweit dort andere Legitimationszeugnisse existieren oder benötigt werden, bestimmt sich nach allgemeinen Regeln.[3]
Rz. 3
Unter Geltung deutschen Rechts ist aber die Vorlage eines Erbscheins oder Europäischen Nachlasszeugnisses nicht zwingend erforderlich. Gegenüber Banken ist anerkannt, dass die Grundsätze des § 35 GBO analog angewendet werden können.[4] Zumindest das muss auch in Bezug auf eine Legitimation gegenüber Providern etc. gelten;[5] denn letztlich können hier keine strengeren Maßstäbe anzulegen sein als im Bankenverkehr. Zwar mag es im Bankenrecht vorrangig um pekuniäre Interessen gehen, während hier ggf. sensible Daten preisgegeben oder einer irreversiblen Vernichtung ausgesetzt sein können. Im Interesse einer zeit- und kostensparenden und damit überschaubar zu handhabenden Nachlassregulierung[6] ist hier gleichwohl mit dem Rechtsgedanken des § 35 GBO zu arbeiten. Schließlich ist den Providern bei Vorlage von Urkunden i.S.d. Rechtsgedankens des § 35 GBO im Hinblick auf § 88 TKG ebenso wenig ein Vorwurf zu machen, wie Banken in Bezug auf das Bankgeheimnis, wenn sie sich auf Erbschein, Europäisches Nachlasszeugnis oder öffentliches (ggf. gar eindeutiges privatschriftliches)[7] Testament mit Eröffnungsprotokoll verlassen. Daher genügt grds. auch die Vorlage einer öffentlichen Verfügung von Todes wegen mit Eröffnungsprotokoll, wobei die Voraussetzungen und Ausnahmen i.R.d. § 35 GBO entsprechend gelten.[8]
Rz. 4
Im Einzelfall kann der Erbe – insbesondere im Prozess – sein Erbrecht auch in anderer Form beweisen.[9] Die Vorlage eines privatschriftlichen Testamentes mit Eröffnungsprotokoll wird aber nur dann genügen, wenn an dessen Wirksamkeit nicht zu zweifeln ist.[10] Auf Vorlage bloßer Personenstandsurkunden darf sich der Rechtsverkehr aber zur Legitimierung der gesetzlichen Erben nicht verlassen.[11]
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