Rz. 5

Der Schutz des Arbeitsplatzes ist mehr als bei anderen Vertragstypen Anliegen des Gesetzgebers. Die speziellen Kündigungsverbote sind unmittelbarer Ausdruck eines verfassungsrechtlichen Schutzes. So gebietet Art. 6 GG den Schutz von Ehe und Familie. Art. 6 Abs. 4 GG hat diesen Schutz konkretisiert und ausgestaltet auf den Anspruch einer jeden Mutter auf den Schutz der Gemeinschaft. Besondere Kündigungsverbote wie § 9 MuSchG, § 18 BEEG tragen dem Rechnung. In der gleichen Weise konkretisieren § 1 AGG den nach Art. 3 Abs. 2 GG gebotenen Schutz vor geschlechtsdiskriminierendem Verhalten und § 85 SGB IX den nach Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG gebotenen Schutz vor Benachteiligungen wegen einer Behinderung.

 

Rz. 6

Abweichend von diesem Schutzgedanken gebietet das GG aber keinen allgemeinen Kündigungsschutz in Arbeitsverhältnissen unabhängig vom Anwendungsbereich des KSchG. Insbesondere lässt sich die Beschreibung eines allgemeinen Kündigungsschutzes nicht aus Art. 12 Abs. 1 GG herleiten. Durch Art. 12 GG wird der Einzelne in seinem Entschluss, eine konkrete Beschäftigungsmöglichkeit in dem gewählten Beruf zu ergreifen oder ein bestehendes Arbeitsverhältnis beizubehalten oder aufzugeben, zwar vor staatlichen Maßnahmen geschützt, die ihn am Erwerb eines zur Verfügung stehenden Arbeitsplatzes hindern oder zur Annahme, Beibehaltung oder Aufgabe eines bestimmten Arbeitsplatzes zwingen. Jedoch ist mit der Berufswahlfreiheit weder ein Anspruch auf Bereitstellung eines Arbeitsplatzes eigener Wahl noch eine Bestandsgarantie für den einmal gewählten Arbeitsplatz verbunden. Ebenso wenig gewährt Art. 12 Abs. 1 GG einen unmittelbaren Schutz gegen den Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund privater Disposition. Insofern obliegt dem Staat zwar eine aus dem Grundrecht folgende Schutzpflicht, der die geltenden Kündigungsvorschriften aber abschließend Rechnung tragen.[3]

 

Rz. 7

Das BVerfG hat deshalb den Ausschluss der nicht unter den Anwendungsbereich des KSchG fallenden Arbeitnehmer aus dem besonderen Kündigungsschutz zu Recht bestätigt. Der Gesetzgeber habe mit § 23 KSchG einen Ausgleich zwischen den grundrechtlich geschützten Belangen der Arbeitsvertragsparteien getroffen. Dieser Ausdruck der praktischen Konkordanz genüge den aus den Grundrechtsnormen abzuleitenden Schutzpflichten. Die Ungleichbehandlung der Arbeitnehmer in Kleinbetrieben und derjenigen, die in größeren Betrieben beschäftigt seien, sei durch die besondere Lage der Arbeitgeber in Kleinbetrieben gerechtfertigt, die sich durch persönliche Zusammenarbeit, geringere Finanzausstattung und begrenzte Verwaltungskapazität des Unternehmens auszeichne. In einem Betrieb mit wenigen Arbeitskräften hänge der Geschäftserfolg mehr als bei Großbetrieben von jedem einzelnen Arbeitnehmer ab. Auf seine Leistungsfähigkeit komme es ebenso an wie auf Persönlichkeitsmerkmale, die für die Zusammenarbeit, die Außenwirkung und das Betriebsklima von Bedeutung seien. Kleine Teams seien anfällig für Missstimmungen und Querelen. Störungen des Betriebsklimas könnten zu Leistungsminderungen führen, die bei geringem Geschäftsvolumen spürbar auf das Ergebnis durchschlügen. Ausfälle ließen sich bei niedrigem Personalstand nur schwer ausgleichen. Typischerweise arbeite in kleineren Betrieben der Unternehmer selbst vor Ort mit. Damit bekomme das Vertrauensverhältnis zu jedem seiner Mitarbeiter einen besonderen Stellenwert. Auch die regelmäßig geringere Finanzausstattung falle ins Gewicht. Ein Kleinbetrieb sei häufig nicht in der Lage, Abfindungen bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses zu zahlen oder weniger leistungsfähiges, weniger benötigtes oder auch nur weniger genehmes Personal mitzutragen. Schließlich belaste auch der Verwaltungsaufwand, den ein Kündigungsschutzprozess mit sich bringe, den Kleinbetrieb stärker als ein größeres Unternehmen.[4] Das BVerfG sieht den einzelnen Arbeitnehmer, der nicht dem Schutzbereich des KSchG unterfällt, jedoch auch nicht schutzlos. Wo die Bestimmungen des KSchG nicht mehr griffen, seien die Arbeitnehmer durch die zivilrechtlichen Generalklauseln vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. Im Rahmen dieser Generalklausel sei auch der objektive Gehalt der Grundrechte zu beachten.[5] Diese zu § 23 Abs. 1 S. 2 KSchG i.d.F. des Gesetzes vom 26.4.1985 angestellten Erwägungen treffen auch auf die nachfolgenden Fassungen des Gesetzes, insbesondere auf § 23 Abs. 1 S. 2 und 3 KSchG i.d.F. des Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003, zu. Es ist nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber mit der dort normierten Anhebung des Schwellenwerts seinen ihm vom Bundesverfassungsgericht zuerkannten Typisierungsspielraum bei der Frage, bis zu welcher Betriebsgröße vom Vorliegen der den Kleinbetrieb charakterisierenden Merkmale regelmäßig auszugehen ist, bereits überschritten hätte.[6]

 

Rz. 8

Zu der hier interessierenden Frage des Kündigungsschutzes außerhalb des KSchG führt das BVerfG dann weiter aus:

Zitat

"In sachlicher Hinsicht...

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