Rz. 53

Der Beklagte kann sich nicht nur gegen eine Klage verteidigen. Mit der Widerklage kann er sogar einen "Gegenangriff" starten, solange die Hauptklage rechtshängig ist. Für die Widerklage müssen die allgemeinen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Die Widerklage muss mit der Hauptklage sachlich zusammenhängen (Konnexität). Die gleiche Prozessart muss einschlägig sein, und es darf kein anderer ausschließlicher Gerichtsstand begründet sein.

 

Rz. 54

Durch den besonderen Gerichtsstand des § 33 ZPO wird bei einer Widerklage die sachliche Zuständigkeit nicht berührt. Ist die Klage bei einem Amtsgericht anhängig und wird eine Widerklage erhoben, die nach dem Zuständigkeitsstreitwert, § 5 ZPO, vor das Landgericht gehören würde, so kann – sofern das Amtsgericht nicht durch Vereinbarung zuständig wird – jede Partei vor einer weiteren Verhandlung zur Hauptsache aber die Verweisung an das übergeordnete Landgericht nach § 506 Abs. 1 ZPO beantragen.

 

Rz. 55

 

Prozesstaktik-Tipps

Die Widerklage bietet viele strategische Vorteile:

Auch wenn ein gesetzliches Aufrechnungsverbot besteht, kann der Beklagte seine Gegenrechte im Prozess geltend machen.
Eine Widerklage bietet sich auch dann an, wenn der beklagte Mandant "überschießende" Ansprüche hat.
Durch den besonderen Gerichtsstand der Widerklage nach § 33 ZPO kann der Beklagte seine eigenen Ansprüche vor Ort einfordern, so dass er nicht auswärtig verhandeln muss.
Mit der Widerklage kann der Beklagte Zeugen des Klägers ausschalten: Verklagt der Pkw-Halter nach einem Verkehrsunfall den gegnerischen Fahrer, den Halter und die Versicherung, und beruft er sich zum Beweis für den Unfallhergang auf das Zeugnis seines Fahrers, können der beklagte Halter oder der geschädigte Fahrer widerklagend Schadensersatz geltend machen und den Fahrer des klägerischen Autos als Drittwiderbeklagten in den Rechtsstreit einbeziehen. Der Kläger und der Drittwiderbeklagte (Fahrer) sind Streitgenossen gemäß § 59 ZPO. Der Streitgenosse kann wegen Tatsachen, die ihn betreffen, nicht als Zeuge aussagen.
Die Widerklage ist kein Angriffs- oder Verteidigungsmittel. Sie kann daher bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erhoben werden. Das bietet den Vorteil, dass Sachvortrag nicht verspätet sein kann, weil die Präklusionsvorschriften nicht greifen. Das gilt selbst für den Vortrag, der dann zur Klageverteidigung dient. Der Rechtsanwalt des Beklagten sollte daher prüfen, ob eine "Flucht in die Widerklage" möglich ist, falls andernfalls das Zurückweisen verspäteten Vortrags droht.
Der Beklagte kann die Verjährung seiner Ansprüche hemmen.
Mit der Widerklage schafft sich der Beklagte eigene Vollstreckungsmöglichkeiten: Stehen dem beklagten Mandanten beispielsweise aufgrund mangelhafter Leistung des Klägers Gewährleistungsrechte zu, kann der Beklagte die Einrede des nichterfüllten Vertrages geltend machen. Erhebt er aber mit seinem Mängelbeseitigungsanspruch Widerklage, kann er seine eigenen Rechte durchsetzen. Bei einer Zug-um-Zug-Verurteilung läge es beim Kläger, ob dieser als Voraussetzung für seine eigene Zwangsvollstreckung nachbessert.
Es ist sogar zulässig, die Widerklage in der Form des Urkundenprozesses zu erheben.
Die Zustellung der Widerklage hängt nicht von der vorherigen Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses ab, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GKG.
 

Rz. 56

Die Widerklage erhöht zwar grundsätzlich gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 GKG infolge Addition beider Werte den Streitwert (wenn sie nicht denselben Gegenstand haben, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG), sie bietet aber, wie gezeigt, gute Möglichkeiten zum Taktieren. In der zweiten Instanz ist die Widerklage nur unter den Voraussetzungen des § 533 ZPO, also bei Einwilligung des Klägers oder bei Sachdienlichkeit, möglich.

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