Rz. 56

Kommt der Bevollmächtigte des Beklagten nach einer Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die Rechtsverteidigung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, weil

der Anspruch tatsächlich besteht,
der vom Beklagten vorgetragene Sachverhalt zwar der Anspruchsberechtigung des Klägers entgegensteht, jedoch aufgrund der Beweislastverteilung und der zur Verfügung stehenden Beweismittel davon ausgegangen werden muss, dass der Beklagte seinen Sachvortrag nicht wird beweisen können,
die überwiegende Rechtsprechung und Literatur einen anderen Rechtsstandpunkt einnimmt,

so kann diese für den Beklagten ungünstige Ausgangslage gleichwohl Grundlage für außergerichtliche oder gerichtliche Vergleichsverhandlungen darstellen, da vor der Vorlage der Klageerwiderung auch der Kläger und sein Bevollmächtigter die Risiken des Prozesses nicht sicher abschätzen können.

 

Rz. 57

Dabei kommen zunächst außergerichtliche Vergleichsverhandlungen in Betracht, mit dem Ziel, dass die Klage nach einer außergerichtlichen Einigung zurückgenommen wird. Auch dies führt hinsichtlich der Gerichtsgebühren zur Absenkung auf eine Gebühr nach Nr. 1211 Ziff. 1 KVGKG. Allerdings kann auch eine 1,0 Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV entstehen. Ggf. kann in einem solchen Fall auch eine Terminsgebühr in Höhe von 1,2 entstehen. Dies folgt aus Vorb. 3 Abs. 3 Nr. 2 zu Teil 3 VV RVG.

 

Rz. 58

 

Praxistipp

In diesem Fall kann es hilfreich sein, nach der Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens zunächst die Vertretungs- und Verteidigungsanzeige in der Notfrist des § 276 Abs. 1 S. 1 ZPO abzugeben und in Absprache mit dem Klägervertreter eine Verlängerung der Klageerwiderungsfrist oder gar ein Ruhen des Verfahrens nach § 251 Abs. 1 S. 1 ZPO wegen schwebender Vergleichsverhandlungen[34] zu beantragen. Eine kurze fernmündliche Absprache mit dem Klägervertreter zur Einholung von dessen Zustimmung ist allerdings erforderlich. Dies hat den Vorteil, dass der Beklagte durch die Klageerwiderung noch nicht "alle Karten auf den Tisch" legen muss.

 

Rz. 59

Ziel außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen kann es sein, einerseits den Ausgleich der Klageforderung in zeitlicher Hinsicht zu strecken und so die dauerhafte Liquidität des Beklagten zu erhalten. Ziel kann es aber auch sein, durch das Angebot eines sofortigen Ausgleiches der Klageforderung Abschläge auf diese zu erreichen. Auch unter dem Gesichtspunkt des klägerischen Prozesskostenrisikos und des Risikos, seine Prozesskosten nicht erstattet zu erhalten, kann nicht selten eine Verminderung der an sich gerechtfertigten streitgegenständlichen Forderung erreicht werden.

 

Rz. 60

 

Hinweis

Die Praxis zeigt, dass vielen Parteien "der Spatz in der Hand weitaus lieber ist als die Taube auf dem Dach". Der Kläger sollte in diesem Fall allerdings darauf achten, dass ein möglicher Vergleich eine Strafklausel für den Fall enthält, dass der Beklagte dieser Forderung nicht nachkommt.

 

Formulierungsbeispiel

“1. Zum Ausgleich der streitgegenständlichen Forderung zahlt der Beklagte an den Kläger 7.500 EUR in monatlichen Raten von 150 EUR beginnend mit dem 1.12.2009 und sodann jeweils fällig zum 1. Werktag jeden folgenden Monats.
2. Soweit der Beklagte mit mehr als einer monatlichen Rate in Rückstand gerät, zahlt er dem Kläger einen Betrag von 10.000 EUR abzüglich der bis zu diesem Zeitpunkt geleisteten Raten zuzüglich Zinsen in Höhe von … %, mindestens 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Fälligkeit der ersten säumigen Rate.
3. …“
 

Rz. 61

Dabei spricht zugunsten des Beklagten, dass auch der Kläger nicht sicher sein kann, ob er bei unklarer Sach- und Rechtslage sich mit seinem Anspruch gänzlich durchsetzt. Der Beklagte wird zu seinen Gunsten auch anführen können, dass die klageweise Durchsetzung des Anspruches erhebliche Zeit und gegebenenfalls im Wege des Vorschusses auch weitere Geldmittel in Anspruch nehmen kann.

 

Rz. 62

 

Hinweis

Gerade in Verfahren wegen Baumängeln, Mängeln der Mietsache oder Schäden nach dem Auszug des Mieters ist der Zeitfaktor sehr wesentlich, da die Baumaßnahme fortschreiten oder die Wohnung bewohnbar oder wieder vermietbar werden soll, was angesichts der notwendigen Beweissicherung im Verfahren häufig nicht unmittelbar möglich ist, sodass auch erhebliche Verzögerungsschäden drohen. Der Kläger muss aus diesem Grunde erwägen, zunächst im Wege des selbstständigen Beweisverfahrens die notwendigen Beweise zu sichern. Hinzukommt, dass regelmäßig erhebliche Kosten für einzuholende gerichtliche Sachverständigengutachten anfallen, die die Verfahrenskosten beträchtlich in die Höhe treiben.

 

Rz. 63

Letztlich wird der Kläger immer zu berücksichtigen haben, dass er nicht sicher sein kann, ob die Liquidität des Beklagten über den gesamten Prozess erhalten bleibt. Insbesondere auch das Risiko, dass der Schuldner bei einer Vielzahl von Gläubigern letztlich die Möglichkeit der Restschuldbefreiung nutzt, muss dem Kläger vor Augen geführt werden. Diese Aspekte werden also jeweils gegenüber dem...

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