1. Anrechnung bei mehreren Auftraggebern

 

Rz. 36

Wenn ein RA mehrere Auftraggeber zuerst außergerichtlich und danach im gerichtlichen Verfahren vertritt, wird die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG sowohl für die Geschäftsgebühr (Nr. 2300 VV RVG) als auch für die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens (Nrn. 3100 bzw. 3305 VV RVG) vorgenommen.

 

Hinweis:

Der Gebührensatz der Geschäftsgebühr darf bei durchschnittlichen Umständen nicht höher als 1,3 sein. Die Anmerkung Abs. 4 zu Nr. 1008 VV RVG besagt, dass die Kappungsgrenze von 1,3 der Anmerkung zu Nr. 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG im Fall der mehreren Auftraggeber sich entsprechend erhöht. Bei Inkassoaufträgen wegen unbestrittener Forderungen erhöhen sich die in Nr. 2300 Anm. Abs. 2 VV RVG genannten Gebührensätze ebenfalls entsprechend.

 

Rz. 37

Die Geschäftsgebühr ist auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen, wobei auch im Fall der mehreren Auftraggeber der Höchstsatz von 0,75 für die Anrechnung der Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG einzuhalten ist; dieser Höchstsatz von 0,75 erhöht sich keinesfalls. Siehe nachfolgendes Beispiel.

 

Beispiel:

Das Berliner Kammergericht – wie auch schon andere Gerichte – hat 2008 über den folgenden Fall entschieden: Insgesamt sechs Kläger hatten auf Zahlung von rückständiger Miete und wegen anderer Ansprüche geklagt, nachdem ihr Prozessbevollmächtigter zuvor die Forderung in einem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben geltend gemacht hatte.

Für das Aufforderungsschreiben wurde eine 1,3 Geschäftsgebühr erhoben, die für die fünf weiteren Auftraggeber um 1,5 auf insgesamt eine 2,8 Geschäftsgebühr erhöht wurde. Im anschließenden Prozess entstand eine auf 2,8 erhöhte Verfahrensgebühr, auf die die Geschäftsgebühr anzurechnen war. Das Kammergericht hat die Anrechnung auf einen Gebührensatz von 0,75 begrenzt, da Nr. 1008 VV RVG besagt, dass die Gebühr "sich" für jede weitere Person erhöht und damit eine einheitliche Gebühr darstellt. Also gilt auch bei einer erhöhten Geschäftsgebühr der Anrechnungshöchstsatz von 0,75 gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG.

Die Anrechnung der Geschäftsgebühr stellt sich in einem solchen Fall wie folgt dar:

I. Vergütung für die außergerichtliche Tätigkeit

Gegenstandswert: 20.000,00 EUR

 
2,8

erhöhte Geschäftsgebühr

gem. §§ 2, 7, 13, 14 RVG, Nrn. 1008, 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG
2.301,60 EUR
  (einschl. Erhöhung für 5 weitere Auftraggeber)  
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 RVG VV
20,00 EUR
    2.321,60 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG 441,10 EUR
    2.762,70 EUR

II. Vergütung für die gerichtliche Tätigkeit

Gegenstandswert: 20.000,00 EUR

 
2,8

erhöhte Verfahrensgebühr

gem. §§ 2, 7, 13 RVG, Nrn. 1008, 3100 VV RVG
2.301,60 EUR  
  (einschl. Erhöhung für 5 weitere Auftraggeber)    
0,75

Geschäftsgebühr

gem. §§ 2, 13, 14 RVG, Nr. 2300 Anm. Abs. 1 VV RVG*

(ist gemäß der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG anzurechnen)
– 616,50 EUR  
    1.685,10 EUR 1.685,10 EUR
1,2

Terminsgebühr

gem. §§ 2, 13 RVG, Nr. 3104 VV RVG
  986,40 EUR
20 %

Pauschale für Post- und Telekommunikationsentgelte für den Prozess**

gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7002 VV RVG
  20,00 EUR
      2.691,50 EUR
19 % USt. gem. § 2 Abs. 2 S. 1 RVG, Nr. 7008 VV RVG   511,39 EUR
      3.202,89 EUR
* Die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG verkündet die Anrechnungsvorschrift. Auch wenn die Hälfte, höchstens 0,75, der Geschäftsgebühr anzurechnen ist, bleibt die Vergütung aus der ersten Rechnung zugunsten des RA erhalten. Durch die Anrechnung wird allerdings die Verfahrensgebühr für den späteren Prozess vermindert.
** Die Auslagenpauschale entsteht nach Nr. 7002 VV RVG in jeder Angelegenheit und wird nicht angerechnet, da es hierfür keine Anrechnungsvorschrift gibt.
 

Rz. 38

 

Hinweis:

Das oben genannte Kammergericht führte in seiner Entscheidung des Weiteren aus, dass es nach Nr. 1008 VV RVG keine "Erhöhungsgebühr" gibt, sondern nur erhöhte Gebühren. Daher darf zu einer Geschäfts- oder Verfahrensgebühr nicht eine selbstständige "Erhöhungsgebühr" hinzugesetzt werden. Für mehrere Auftraggeber ist nach Nr. 1008 VV RVG nur eine einzige nach dem erhöhten Gebührensatz berechnete Gebühr zu erheben.

 

Merke:

Auch bei mehreren Auftraggebern wird die (entsprechend erhöhte) Geschäftsgebühr höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf nachfolgende Gebühren angerechnet.

2. Vorgehensweise bei mehrfacher Anrechnung

 

Rz. 39

Es kann vorkommen, dass ein RA in derselben Sache mehrere Aufträge nacheinander erhält. Der erste Auftrag könnte z. B. die außergerichtliche Erledigung der Angelegenheit sein, danach könnte die Sache in das gerichtliche Mahnverfahren übergehen und nach Widerspruch in den Zivilprozess. In nachfolgendem Beispiel sollen die nacheinander vorzunehmenden Anrechnungen aufgezeigt werden.

 

Beispiel:

Assel hat gegen Schlumpf eine ausstehende Forderung von 5.000,00 EUR aus einem Kaufvertrag und setzt ihn durch eine Mahnung in Verzug. Schlumpf teilt daraufhin mit, er wolle über die Zahlung mal nachdenken, das eile ja wohl nicht. Assel erteilt RA Rost einen...

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