Rz. 91

Der Inhalt der Anrechnungsbestimmung muss erkennbar darauf gerichtet sein, die Zuwendung auf den Pflichtteil anzurechnen. Die Bestimmung, dass die Zuwendung auf den "Erbteil" anzurechnen ist, ist grundsätzlich nur als ausgleichungspflichtig i.S.v. §§ 2050 ff., 2316 BGB anzusehen, nicht aber auch als anrechnungspflichtig i.S.v. § 2315 BGB.[133] Nur unter bestimmten Voraussetzungen kann im Einzelfall eine Auslegung ergeben, dass auch eine Anrechnung auf den Pflichtteil gewollt war. Dabei wird auf den Willen des Erblassers, die pflichtteilsverkürzende Wirkung erreichen zu wollen, abzustellen sein.[134] In diesem Zusammenhang ist nochmals auf die bereits in Rdn 64 erwähnte Entscheidung des BGH vom 27.1.2010 zur Frage vorweggenommene Erbfolge und Pflichtteil hinzuweisen. Der BGH hat in dieser Entscheidung klargestellt, dass bei Zuwendungen, die "im Wege vorweggenommener Erbfolge unentgeltlich erfolgen" stets im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, was der Erblasser konkret anordnen wollte. Er kann sowohl eine Ausgleichung nach §§ 2316 Abs. 1, 2050 Abs. 3 BGB, eine Anrechnung nach § 2315 Abs. 1 BGB oder kumulativ eine Ausgleichung und Anrechnung nach § 2316 Abs. 4 BGB gemeint haben. Kurz gesagt: Kommt es dem Erblasser auf einen Ausgleich unter den Abkömmlingen an, liegt ein Fall des § 2316 BGB vor. Kommt es ihm auf eine pflichtteilsverkürzende Wirkung an, liegt ein Fall des § 2315 BGB vor.

Der Zuwendende muss seinen Anrechnungswillen dem Empfänger gegenüber bewusst gemacht haben. So soll die Bestimmung, dass der Empfänger nach Annahme der Zuwendung "nichts mehr bekomme", als Anrechnungsbestimmung i.S.v. § 2315 BGB gewertet werden.[135]

[133] OLG Schleswig v. 13.11.2007 – 3 U 54/07; OLG München NJW-RR 2009, 19; Palandt/Weidlich, § 2315 Rn 3.
[134] OLG Düsseldorf ZEV 1994, 173.
[135] BayObLG HRR 1929 Nr. 390.

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