Entscheidungsstichwort (Thema)

Formunwirksame privatschriftliche Anrechnungsvereinbarung bei vorhergehendem Erbvertrag

 

Leitsatz (amtlich)

§ 2289 Abs. 1 S. 2 BGB bestimmt, dass dem Erbvertrag nachfolgende spätere Verfügungen von Todes wegen insoweit unwirksam sind, als sie das Recht des vertragsmäßig Bedachten beeinträchtigen würden.

Die in den Testamenten getroffenen Anrechnungsanordnungen stellen nach Sinn und Begriff Beeinträchtigungen i.S.v. § 2289 Abs. 1 dar.

 

Normenkette

BGB §§ 2050, 2289, 2291, 2315

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 26.07.2007; Aktenzeichen 26 O 16663/06)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 28.10.2009; Aktenzeichen IV ZR 82/08)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 26.7.2007 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Erbringung einer Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet i.H.v. 110 % des jeweils beizutreibenden Betrags.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Mit der Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass er sich eine schenkweise Zuwendung des Erblassers vom 27.7.1978 (K 3) auf seinen Erbteil nicht anrechnen lassen müsse. Mit der Widerklage begehrt die Beklagte die Feststellung, dass sich der Kläger eine schenkweise Zuwendung aus dem Jahr 1997 i.H.v. 600.000 DM auf seinen Erbteil anrechnen lassen müsse.

Der Kläger ist der leibliche Sohn, die Beklagte die mit dem Erblasser in dritter Ehe verheiratete Witwe des am 25.7.2003 verstorbenen Erblassers Dr. K.L.B. Der Kläger ist aufgrund Erbvertrags vom 4.9.1984 (K 4) Erbe zu %, die Beklagte wurde zuletzt mit privatschriftlichem Testament vom 6.7.1999 (K 5) zur Alleinerbin eingesetzt, was im Hinblick auf den Erbvertrag vom 4.9.1984 zur Erbeinsetzung von nur ... % führte.

Am 27.7.1978 schlössen der Erblasser und der Kläger folgende privatschriftliche mit Schenkungsvereinbarung überschriebene Vereinbarung:

"2. Herr L. B. jun. hat sich die heutige Schenkung im Betrag von 3,6 Mio. DM auf seinen Erb- oder Pflichtteil am künftigen Nachlass seines Vaters anrechnen zu lassen oder bei der Erbauseinandersetzung zur Ausgleichung zu bringen, ist aber zur Herauszahlung eines etwaigen Mehrbetrages nicht verpflichtet".

Im Jahre 1997 gewährte der Erblasser dem Kläger eine weitere Zuwendung i.H.v. 600.000 DM indem er auf Rückgriffsansprüche gegen den Kläger wegen vorangegangener Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft verzichtete. Im Hinblick hierauf fertigte der Kläger am 8.9.1997 folgende privatschriftliche Erklärung (B 1):

"Der Unterzeichner, Herr L.B., anerkennt die Schenkung erhalten zu haben und erklärt hiermit dem Schenker, Herrn Dr. L.B., gegenüber ausdrücklich und unwiderruflich, dass er der Anrechnung der 600.000 DM auf etwaige Pflichtteilsansprüche am Nachlass des Schenkers zustimmt."

Im privatschriftlichen Testament vom 3.9.1998 (B 5) setzte der Erblasser die Beklagte zu seiner alleinigen Erbin ein und setzte seinen Sohn (den Kläger) und seine Tochter auf den Pflichtteil, wobei er bestimmte:

"Meinen Sohn L. sowie meine Tochter A. setze ich je auf den Pflichtteil, wobei ja auf ihren Pflichtteil dasjenige anzurechnen ist, was ich ihnen in der Vergangenheit zugewandt habe, auch wenn dadurch der Pflichtteil voll aufgebraucht ist. Bei meinem Sohn L. sind folgende Zuwendungen auf seinen Pflichtteil anzurechnen:

a) 3.600.000 DM aus dem Jahr 1978

1.800.000 DM aus dem Jahr 1994

b) 600.000 DM aus dem Jahr 1997."

Im Testament vom 15.3.1999 (K 5) setzte der Erblasser (erneut) die Beklagte als Alleinerbin ein und bestimmte in Ziff. 3:

"Mein Sohn L. hat in der Vergangenheit Zuwendungen im Betrag von insgesamt 6 Mio. DM erhalten, durch welche sein Pflichtteil, auf den er verzichtet hat, voll aufgebraucht wäre. Lediglich vorsorglich setze ich ihn auf den Pflichtteil."

Im Testament vom 6.7.1999 (K 5) setzte der Erblasser erneut die Beklagte zu seiner Alleinerbin ein.

Der Kläger ist der Auffassung, dass eine Anrechnungspflicht auf den Erbfall nicht wirksam, insbesondere nicht formwirksam, getroffen worden sei.

Er hat beantragt zu erkennen:

Es wird festgestellt, dass sich der Kläger die am 27.7.1978 vom Erblasser Dr. L. K. B. erfolgte Schenkung auf sein durch Erbvertrag vom 4.9.1984 erhaltenes Erbe nicht anrechnen lassen muss.

Die Beklagte hat Klageabweisung und im Wege der Widerklage beantragt zu erkennen:

Es wird festgestellt, dass sich der Kläger gemäß der "Zustimmungserklärung zur Anrechnung auf den Pflichtteil" vom 8.9.1997 eine ihm i.H.v. 600.000 DM (entspricht: 306.775,13 EUR) gemachte Zuwendung auf seinen Erbteil anzurechnen lassen hat.

Der Kläger hat Abweisung der Widerklage beantragt.

Die Beklagte ist insbesondere der Ansicht, bei der Schenkungsvereinbarung vom 27.7.1978 handele es sich um einen Vertrag unter Lebenden, dessen Abschluss im Rahmen der Vertragsfreiheit möglich sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 12.9.2...

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