Rz. 40

Das Erste Gesetz zur Modernisierung der Justiz[25] hatte weitreichende Konsequenzen für die Tilgung von vorhandenen Punkten im Verkehrszentralregister, weil jeder weitere Verkehrsverstoß die Tilgung vorhandener Punkte bereits von dem Tag an, an dem er begangen wird, blockiert. Maßgebend war somit nicht mehr die Rechtskraft einer weiteren Entscheidung, die den Eintrag von Punkten zur Folge hat, sondern das zugrunde liegende Datum der Begehung des Verkehrsverstoßes. Nach dem Fahreignungsregister ist wieder erheblich von der Konzeption abgewichen worden, weil die Tilgungshemmung abgeschafft wurde. Geplant ist aber bereits: Die im Vergleich zur zehnjährigen Löschungsfrist nach § 2 Abs. 9 StVG einschlägigen kürzeren Nutzungs- und Verwertungsfristen des Fahreignungsregisters in § 29 Abs. 1, 6 und 7 StVG sollen auch für die Akten der Fahrerlaubnisbehörden maßgeblich sein. Zudem soll im Bundeszentralregistergesetz eine Ausnahme in § 52 Abs. 2 BZRG klarer gefasst werden, die die längere Verwertbarkeit von Straftaten für Zwecke des Fahreignungs-Bewertungssystems in Bezug nimmt.

 

Rz. 41

Auch ergab sich eine Änderung zur Überliegefrist. Die Punktetilgung wird bis zum Ablauf der sog. "Überliegefrist" blockiert. Diese Überliegefrist beginnt erst nach Ablauf der regulären Tilgungsfrist der vorhandenen Punkte und beträgt selbst noch einmal ein Jahr. Diese hat der Gesetzgeber auch im Fahreignungsregister beibehalten, obwohl es auf den Eintragungstag für die eigentliche Punktetilgung ankommt; für die Ergreifung von Maßnahmen der Behörden verbleibt es bei der Überliegefrist, um den taggenauen Punktestand zu ermitteln. Diese Regelung hatte schon zur Folge, dass die ursprünglich gerne betriebene Verzögerung eines nachfolgenden Verfahrens nunmehr selten erfolgreich über ein Jahr hinaus möglich sein dürfte.

Während der Überliegefrist darf über eine tilgungsreife Eintragung Auskunft gemäß § 29 Abs. 7 S. 2 StVG nur an den Betroffenen erteilt werden.[26] Für die Gerichte besteht folglich ein Verwertungsverbot.

 

Rz. 42

Das KBA löscht automatisch nach Ablauf der Tilgungs- und Überliegefrist die eingetragenen Punkte im Register. Einer der Gründe für die Gesetzesinitiative besteht sicherlich darin, das komplizierte System von Tilgungs- und Überliegefrist[27] zu entwirren und zu vereinfachen.

Die Tilgung wird jedoch erst vorgenommen, wenn keine weiteren Eintragungen innerhalb der jeweiligen Frist hinzugekommen sind.

Die Tilgungsfrist beginnt also bei

gerichtlichen und verwaltungsbehördlichen Bußgeldentscheidungen sowie bei anderen Verwaltungsentscheidungen mit der Rechtskraft oder Unanfechtbarkeit;
strafgerichtlichen Verurteilungen mit dem Tag des ersten Urteils und bei Strafbefehlen mit dem Tag der Unterzeichnung durch den Richter – auch dann, falls später eine Gesamtstrafe gebildet wird;
der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis bzw. der Anordnung einer Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 Strafgesetzbuch (StGB) mit dem Tag der Entscheidung;
Aufbauseminaren und verkehrspsychologischen Beratungen mit dem Tag der Ausstellung der Teilnahmebescheinigung;
dem Verzicht auf die Fahrerlaubnis mit dem Tag des Zugangs der Verzichtserklärung bei der zuständigen Behörde.

Bei der Versagung oder Entziehung der Fahrerlaubnis beginnt die Tilgungsfrist erst mit der Erteilung oder Neuerteilung der Fahrerlaubnis, spätestens jedoch fünf Jahre nach der beschwerenden Entscheidung oder dem Verzicht der Fahrerlaubnis

wegen mangelnder Eignung,
wegen der Anordnung einer Sperre zur Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis oder
bei dem Verzicht auf die Fahrerlaubnis.
Bei einer Verhängung eines Verbots oder einer Beschränkung, dass auch kein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug geführt werden darf, beginnt die Tilgungsfrist fünf Jahre nach Ablauf oder Aufhebung des Verbots oder der Beschränkung.
Was im Sinne von § 65 Abs. 9 S. 1 Hs. 2 StVG nach Auffassung des BVerwG einer zehnjährigen Tilgungsfrist entspricht, ergibt sich aus § 29 StVG n.F. einschließlich der Regelung über den Beginn der Tilgungsfrist in § 29 Abs. 5 S. 1 StVG und der Regelung über eine Hemmung des Ablaufs der Tilgungsfrist in § 29 Abs. 6 StVG (BVerwG 3 B 65.11 vom 21.5.2012 in Fortführung der Rechtsprechung aus dem Urt. v. 9.6.2005 – BVerwG 3 C 21.04 – Buchholz 442.10 § 2 StVG Nr. 11).
[25] Erstes Gesetz zur Modernisierung der Justiz (1. Justizmodernisierungsgesetz) vom 24.8.2004 (BGBl I Nr. 45 vom 30.8.2004, S. 2198).
[26] Zur Berücksichtigung tilgungsreifer Eintragungen im Verkehrszentralregister sowie zu Auswirkungen der Neufassung der seit 1.2.2005 geltenden Tilgungsvorschriften in § 29 StVG vgl. OLG Karlsruhe zfs 2005, 411.
[27] Hinsichtlich der Verwertung von Eintragungen vor dem 1.1.1999 gilt § 65 Abs. 9 StVG, vgl. ausführlich Gebhardt, § 11 Rn 22, wobei sich ein Problem allenfalls bis Ende 2014 diesbezüglich ergeben sollte.

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