I. Übersicht

 

Rz. 12

Ausgeschlossen vom Versicherungsschutz ist die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aufgrund von Versicherungsfällen, die der Versicherungsnehmer vorsätzlich und rechtswidrig verursacht hat, § 4 Abs. 2a) ARB 75. Unter den Risikoausschluss fallen beispielsweise sogenannte "fingierte" Verkehrsunfälle oder behauptete Verstöße gegen Pflichten aus dem Arbeitsvertrag. Grob fahrlässige Verursachung lässt den Versicherungsschutz dagegen nicht entfallen. Für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses trägt der RSV die volle Beweislast.

II. Fall

 

Rz. 13

Der VN sucht bei seinem RSV um Deckungsschutz für die gerichtliche Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche aus einem Verkehrsunfall nach. Er behauptet, sein Pkw, Typ Porsche, sei durch einen gemieteten Lkw zur Nachtzeit an einem abgelegenen Ort durch einen sogenannten Streifschaden beschädigt worden. Dem Schreiben liegen die Klageschrift sowie der vorprozessuale Schriftwechsel der Parteien bei. Daraufhin teilt der RSV dem VN Folgendes mit:

Zitat

"Nach Prüfung der Angelegenheit wird Ihnen im Rahmen der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung Kostenschutz gewährt."

Im Laufe des Gerichtsverfahrens treten weitere Indizien zutage, die auf einen vorgetäuschten Verkehrsunfall hindeuten. Die Klage wird abgewiesen. Nach Übersendung der Urteilsgründe widerruft der RSV seine Deckungszusage unter Hinweis auf den Risikoausschluss des § 4 Abs. 2a) ARB 75 und fordert den VN auf, die eigenen Anwaltskosten und die Gerichtskosten dem RSV zu erstatten.

III. Muster

 

Rz. 14

Muster 6.3: Widerruf der Deckungszusage

 

Muster 6.3: Widerruf der Deckungszusage

_________________________ Rechtsschutzversicherungs-AG

_________________________ (Anschrift)

Schaden-Nr.: _________________________

_________________________ (Anrede),

in vorbezeichneter Angelegenheit ist es Ihnen verwehrt, den Deckungsschutz unter Verweis auf den Risikoausschluss des § 4 Abs. 2a) ARB 75 zu widerrufen, weil Sie in Kenntnis des Streitstoffs die Deckungszusage vorbehaltlos erteilt haben. Angesichts des von der Gegenseite erhobenen Vorwurfs des sogenannten manipulierten Unfallgeschehens musste es sich Ihnen aus der Kenntnis des Unfallzeitpunktes, der Beteiligung eines Mietfahrzeuges und der Tatsache, dass keine Zeugen den Unfall beobachtet hatten, aufdrängen, dass der Risikoausschluss des § 4 Abs. 2a) ARB 75 in Betracht kommen könnte.

Bei der erteilten Deckungszusage handelt es sich um ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis i.S.d. § 781 BGB. Dieser schafft einen Vertrauenstatbestand. Insoweit hätten Sie Ihren Versicherungsnehmer auf den in Betracht kommenden Risikoausschluss hinweisen und den Widerruf der Deckungszusage für den Fall der Klageabweisung wegen vorsätzlichen Handelns in Aussicht stellen müssen. Der Zusatz "im Rahmen der Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung" war ungeeignet, sich den Widerruf der Deckungszusage vorzubehalten (LG Mannheim Urt. v. 15.4.1994 – 1 S 292/93 –, r+s 1996, 313; LG Berlin Urt. v. 7.2.1989 – 7 O 272/88 –, r+s 1990, 20).

Des Weiteren tragen Sie als RSV die volle Beweislast für die Voraussetzungen des gegenständlichen Risikoausschlusses. Es reicht nicht aus, dass der Haftpflichtversicherer im Rahmen der im Ausgangsprozess gewährten Beweiserleichterungen, die erhebliche Wahrscheinlichkeit für einen "manipulierten" nachgewiesen hat und die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils zu dieser Feststellung gelangt sind. Zum einen können Sie diese Beweiserleichterungen nicht in Anspruch nehmen (OLG Köln Urt. v. 19.9.1995 – 9 U 6/95 –, r+s 1995, 462), zum anderen sind die Tatsachenfeststellungen des Ausgangsprozesses nicht für die Frage des Widerrufes des Deckungsschutzes bindend (BGH Urt. v. 18.3.1992 – IV ZR 51/91 –, NJW 1992, 1509).

Sie sind daher weiter verpflichtet, dem Versicherungsnehmer bedingungsgemäßen Deckungsschutz zu erteilen.

Freundliche Grüße

(Rechtsanwalt)

IV. Hinweise

 

Rz. 15

Ob die Tatsachenfeststellungen im Ausgangsprozess für den Deckungsprozess des RSV bindend sind, ist umstritten. Der BGH verneint diese Frage strikt, weil es unzulässig sei, die sich aus dem Haftpflichtversicherungsrecht entwickelten Grundsätze auf den Rechtsschutzversicherungszweig anzuwenden.[3] Dagegen nehmen weite Teile der Rechtsprechung und Literatur eine Bindungswirkung auch aus Gründen der Prozessökonomie und der Rechtssicherheit an.[4]

 

Rz. 16

Weiter heftig umstritten ist die Frage, ob der RSV in den Fällen der sogenannten Voraussetzungsidentität die Deckungszusage bis zur endgültigen Klärung der Frage im Hauptprozess zurückstellen kann; in Fällen also, in denen die Voraussetzungen des Deckungsprozesses zugleich Streitpunkt im Hauptprozess sind (vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls).

 

Rz. 17

Im Rahmen des Rückforderungsprozesses ist der RSV für die Voraussetzungen des Risikoausschlusses voll beweisbelastet.[5] Der Rückforderungsanspruch ergibt sich aus Bereicherungsrecht und unterliegt der dreijährigen Verjährungsfrist, § 195 BGB, weil der Rückforderungsanspruch seine rechtliche Grundlage im Bereich...

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