Rz. 127

Dogmatisch ist zwischen dem Barunterhalt, dies sind die Unterhaltsleistungen in Geld, und dem Betreuungsunterhalt zu trennen. Zum Betreuungsunterhalt zählt neben der klassischen Haushaltsführung (Einkauf, Geschirr spülen, putzen, Gartenarbeit etc.) auch die Beaufsichtigung und Erziehung der Kinder. Bei den Kindern wird häufig in der Praxis dieser sog. Betreuungsunterhaltsschaden sträflich nicht beachtet.

 

Rz. 128

Es existieren hier zwei verschiedene Möglichkeiten zur Regulierung. Entweder wird der Betreuungsunterhaltsschaden separat errechnet und dann entsprechend nach Quoten aufgeteilt oder aber, was dogmatisch sauberer ist, im Rahmen des Haushaltsführungsschadens berücksichtigt. Aus diesem Grund sind die Werte der Tabelle 4 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 7 Rn 6 ff.) immer den Werten der Tabelle 1 und Tabelle 2 hinzuzurechnen.

Von daher kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass der Betreuungsunterhaltsschaden bei Kindern einen erheblichen monatlichen Betrag ausmacht und dieser vom Anwalt unbedingt zu berücksichtigen ist. Hierbei spielt es keine Rolle, ob man ihn dogmatisch korrekt mit einem Zuschlag im Rahmen des Haushaltsführungsschadens berechnet oder aber, separat ausrechnet.

 

Rz. 129

Die Verfasser halten es für schwierig, pauschal aufgrund des Alters der Kinder Tabellen unreflektiert anzuwenden. So weist die Tabelle 4 (IFH-Tabelle/Schah Sedi, § 7 Rn 6 ff.) "bis zu" Werte aus, die durch Sachvortrag zu konkretisieren sind. Wenn die Zahlen vom Mandanten realistisch wiedergegeben werden, sind diese dem Versicherer mitzuteilen. Dies ist auch deswegen sachgerechter, weil nicht jedes Kind gleichviel Betreuung und Aufsicht benötigt. Kinder, die an ADS oder ADHS leiden, sind wesentlich betreuungsintensiver. Ferner wird jede Mutter und jeder Vater bestätigen, dass es Schlafkinder gibt, die häufiger und länger schlafen als durchschnittlich üblich. Dagegen gibt es Kinder, die auch in sehr jungen Jahren mit weitaus weniger Schlaf auskommen und von daher auch mehr beschäftigt werden müssen. Es spielt auch eine Rolle, ob die Mutter die Nahrung jeweils selber zubereitet oder lediglich vorgefertigte Nahrung aus dem Supermarkt aufwärmt. Schließlich sind manche Kinder auch pflegebedürftig und benötigen deutlich mehr Zeit und Aufwand in der Woche als Kinder, die weite Teile ihrer Grundversorgung selbst beherrschen.

 

Praxistipp

Sollten in der Familie z.B. Zwillinge vorhanden sein, ist es gerechtfertigt, mit dem 2,5-fachen Kindersatz zu rechnen: Zwei gleichaltrige Kinder sind mindestens bis zur Einschulung betreuungsintensiver als zwei Kinder unterschiedlichen Alters.

 

Rz. 130

Auch Kinder in der Pubertät bedürfen einer erhöhten Betreuung und einer erhöhten Aufmerksamkeit seitens der Eltern. Schließlich ist es auch erwiesen, dass die Pubertät heute bei den Kindern schon früher beginnt als dies noch vor Jahren der Fall war. Die "Vorpubertät" beginnt heute mittlerweile ab einem Alter von ca. 10 bis 11 Jahren.

 

Rz. 131

Der Betreuungsunterhaltsschaden endet in der Regel mit dem 18. Lebensjahr. Wenn die Kinder aber noch während der Ausbildung oder des Studiums bei den Eltern wohnen, ist auch hier ein angenommenes Ende der Ausbildung – mit spätestens 27 Jahren – gerechtfertigt. Der Arbeitszeitbedarf bei größeren Kindern, die studieren oder den größten Teil des Tages in der Schule oder Berufsschule verbringen, ist geringer anzusetzen als bei Kleinkindern und Kindern mittleren Alters. Auch hier ist eine konkrete Befragung des Mandanten hinsichtlich des Arbeitszeitbedarfs notwendig, um diesen individuell zu ermitteln. In Regulierungsgesprächen kann auf die Rechtsprechung des BGH hingewiesen werden, wonach minderjährige Kinder ein Recht auf Betreuung haben (BGH NJW 1994, 2234). Ferner ergibt sich dies aus dem Gesetz (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB).

 

Rz. 132

Ob beim Betreuungsunterhaltsschaden die Quote bezüglich des Haushaltsführungsschadens 1 zu 1 zu übernehmen ist oder aber eventuell bei Kleinkindern den Kindern eine höhere Quote zuzubilligen ist, ist umstritten und muss im Rahmen eines Regulierungsgespräches erörtert werden. Der BGH billigt dem hinterbliebenen Ehegatten beim Betreuungsunterhalt eine höhere Quote als dem Kind zu (BGH NJW 1974, 1238). Das OLG Stuttgart (VersR 1993, 1536) sieht dagegen die höhere Quote beim Kind. Auch beim Betreuungsunterhaltsschaden sind die Absprachen der Eltern zu beachten, d.h. der Versicherer muss die Absprachen hinsichtlich des Arbeitszeitbedarfs bei dem Betreuungsunterhaltsschaden akzeptieren. Lediglich wenn diese Absprachen in einem krassen Missverhältnis stehen (BGH NJW 1988, 2365), ist eine Korrektur vorzunehmen.

 

Rz. 133

Dass es hinsichtlich des Arbeitszeitbedarfs schwierig ist, bei dem Betreuungsunterhaltsschaden der Kinder mit festen Tabellen zu arbeiten, hat das OLG Stuttgart in seiner Entscheidung VersR 1993, 1537 auch noch einmal betont. Das OLG Stuttgart vertritt zu Recht die Auffassung, dass sich der Arbeitszeitbedarf nach dem Umfang der gesetzlich geschuldeten Unterhaltsführung richtet und...

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