Rz. 1

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hat grds. keinen Einfluss auf bestehende Arbeitsverhältnisse. Vielmehr bestehen Dienst- und Arbeitsverhältnisse nach Verfahrenseröffnung mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort, § 108 Abs. 1 S. 1 InsO. Der vorläufige ("starke") Insolvenzverwalter mit Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 22 Abs. 1 S. 1 InsO) und der Insolvenzverwalter nehmen jedoch die Rechtsstellung des Arbeitgebers ein (HaKo/Kuleisa, § 80 InsO Rn 28; Uhlenbruck/Mock, § 80 InsO Rn 22). Auch für die Zeit zwischen Antragstellung (§ 13 InsO) und Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gelten keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Der Arbeitnehmerschutz und insb. der Kündigungsschutz bleiben in der Insolvenz des Arbeitgebers gewahrt. Die Insolvenz eines Unternehmens an sich ist daher kein Grund für eine außerordentliche oder ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (BAG v. 5.12.2002, NZA 2003, 789 = ZInsO 2003, 480; BAG v. 20.9.2006 – 6 AZR 249/05, ZIP 2007, 595; ErfK/Müller-Glöge, Einf. InsO Rn 37). Vielmehr bedarf es auch in der Insolvenz im Anwendungsbereich des KSchG der sozialen Rechtfertigung einer vom Insolvenzverwalter ausgesprochenen Kündigung. Ebenso muss im Fall des Ausspruchs einer außerordentlichen Kündigung ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB vorliegen. Der Arbeitnehmer- und Kündigungsschutz gilt auch in Bezug auf § 613a BGB, dem vor allem bei der übertragenden Sanierung große praktische Bedeutung zukommt.

 

Rz. 2

In der Insolvenz erleichtert § 113 InsO die Kündigung jedoch sowohl für den Insolvenzverwalter als auch für den Arbeitnehmer, indem ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer (Befristung) oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung (etwa tarifvertragliche Unkündbarkeit) mit einer Kündigungsfrist von max. drei Monaten zum Monatsende gekündigt werden kann. Die Regelungen des § 113 InsO erfassen sowohl die Beendigungs- als auch die Änderungskündigung. Aus dem Wortlaut der Regelung und der Systematik der InsO folgt, dass die verkürzte Kündigungsfrist des § 113 S. 2 InsO nur der – endgültige – Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für sich in Anspruch nehmen kann (BAG v. 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, NZA 2006, 1352 = ZIP 2005, 1289). Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift scheidet aus, weil die InsO insoweit keine planwidrige Lücke erkennen lässt. Der "starke" vorläufige Insolvenzverwalter und der – endgültige – Insolvenzverwalter haben unterschiedliche Funktionen und sind vom Gesetzgeber nicht völlig gleichgestellt worden (BAG v. 20.1.2005 – 2 AZR 134/04, NZA 2006, 1352 = ZIP 2005, 1289 m.w.N.). Eine sinngemäße Anwendung der kürzeren Kündigungsfristen des § 113 S. 2 InsO könnte allenfalls dann in Betracht gezogen werden, wenn der vorläufige Insolvenzverwalter gem. § 22 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 InsO das Unternehmen mit Zustimmung des Insolvenzgerichts stilllegt (Gottwald/Haas/Bertram/Künzl, § 102 Rn 24; ebenso Bertram, NZI 2001, 625, 626; Berscheid/Bertram, InsbürO 2004, 172, 175; Uhlenbruck/Ries/Zobel, § 22 Rn 72).

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