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Prozesshandlungen der Beteiligten unterliegen grundsätzlich der Auslegung (vgl. § 88 VwGO). Die Auslegung hat den Willen des Erklärenden zu ermitteln. Dabei kommt es nicht auf den inneren, sondern auf den erklärten Willen an. Die Auslegung darf nicht am Wortlaut der Erklärung haften. Der maßgebende objektive Erklärungswert bestimmt sich danach, wie der Empfänger nach den Umständen, insbesondere der recht verstandenen Interessenlage, die Erklärung verstehen muss.[26] Auch eine Umdeutung kann grundsätzlich in Betracht kommen.

Eine Auslegung hat aber ihre Grenzen. So erfasst eine ausdrücklich eingelegte Berufung nicht zugleich auch den Antrag auf Zulassung der Berufung. Die beiden Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Der Antrag auf Zulassung der Berufung begehrt ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmittels durch das OVG. Die Berufung richtet sich gegen die Entscheidung des VG in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbstständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozessrechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen.[27] Eine durch einen Rechtsanwalt eingelegte Berufung kann nach Ablauf der Antragsfrist des § 124a Abs. 4 S. 1 VwGO auch nicht mehr in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden.[28] Wird statt der Einlegung der vom VG zugelassenen Berufung von einem rechtskundigen Vertreter eines Beteiligten der Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, kommt eine Umdeutung in das zulässige Rechtsmittel der Berufung nach Ablauf der Rechtsmittelfrist regelmäßig nicht mehr in Betracht.[29]

[26] BVerwG, Beschl. v. 2.5.2016 – BVerwG 9 B 12.16; Urt. v. 27.8.2008 – 6 C 32.07, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 38 Rn 23; Beschl. v. 3.12.1998 – 1 B 110.98, Buchholz 310 § 124a VwGO Nr. 6 S. 14, v. 9.2.2005 – 6 B 75.04, Rn 8 und v. 10.1.2013 – 4 B 30.12, juris Rn 2.
[27] BVerwG, Beschl. v. 2.5.2016 – BVerwG 9 B 12.16.
[28] BVerwG, Beschl. v. 2.5.2016 – BVerwG 9 B 12.16.
[29] HessVGH, Beschl. v. 18.7.2012 – 5 A 1239/12.Z, LKRZ 2012, 456.

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